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Stern auf Nullkurs (1979)

Stern auf Nullkurs (1979)

Titel: Stern auf Nullkurs (1979) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Frühauf
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die Kraft des Antriebs, die sie in die Polster preßt, vertraut, rettend. Die Stadt versinkt unter ihnen, nur die Lichtbalken tasten noch hinter ihnen her, streifen fast die Maschine, kreuzen sich, suchen, kehren zurück, verharren... Gleißende Helle füllt die Zentrale.
    Tonder arbeitet ununterbrochen an den Steuertastern, seine Haltung verrät höchste Anspannung. 
    „Was ist los, Tonder?"
    „Ich kann die Maschine nicht mehr halten! Verdammt noch mal!" „Alles ist in Ordnung, Tonder. Wir steigen kontinuierlich. Was wollen...?"
    „Ich gebe nicht den geringsten Schub. Begreif doch! Sie jagen uns wieder nach draußen, Kalo. Sie haben uns an der Leine, machen mit uns, was sie wollen. Wir sind steuerlos." Seine Stimme klingt gehetzt und zittert.
    Kalo fühlt das Unfaßbare herannahen, eine schmerzhafte Aufmerksamkeit bemächtigt sich seiner, mit jeder Fiber seines Körpers lauscht er, spürt er, sieht er es, ohne es zu begreifen, ohne es rational aufnehmen zu können.
    Das Licht der Scheinwerfer wechselt von Weiß zu Blaßblau. Fast greifbare Helle erfüllt die Kabine. Die Atmosphäre um sie her ist beinahe körperlich fühlbar und scheint die Aggregatzustände spontan zu wechseln. Das intensive Licht hemmt alle Bewegungen wie eine breiige Flüssigkeit, die mehr und mehr erstarrt. Sie liegen reaktionslos in den Sesseln. Arme und Beine krampfhaft gestreckt, mühsam atmend.
    Auch als sie die Strahlenbündel der Scheinwerfer längst hinter sich gelassen haben, wird die Maschine irgendwo in den höchsten Atmosphäreschichten herumgewirbelt. Kalo kann das genau erkennen, als befände er sich außerhalb des Fahrzeugs, als beobachte er sich und die beiden anderen mit fremden, alles durchdringenden Augen. Und doch spürt er, daß er in einem zähen Brei des Vergessens zu versinken droht, daß trotz all der Helle dunkle Bewußtlosigkeit nach ihm tastet, eine Bewußtlosigkeit, die nicht im Körperlichen wurzelt. Es ist, als zwänge sich Fremdes, Ungeheuerliches in sein Hirn, als suche etwas, das außerhalb seines eigenen Seins existiert, sein Ich zu verdrängen, als trachte es, ihn aus ihm selbst zu vertreiben. Ein erschreckendes Gefühl, ein sanfter Druck, der mehr und mehr von ihm Besitz ergreift, gegen den er sich mit aller Kraft zu stemmen versucht und dem er doch wehrlos ausgesetzt ist.
    Die bläuliche Helle um ihn herum weitet sich, fließt auseinander, wechselt von einem Augenblick zum anderen die Dimensionen, nichts Räumliches existiert mehr, nur noch die bedrückende Unendlichkeit nichtmenschlichen Seins. Das Licht krümmt sich zur geschwungenen Schale mit einwärts gebogenen Rändern, die in betäubendem Rhythmus pulsieren. Ruhe zieht ein, Stille, Weite ohne Anfang und ohne Ende.
    Nur einmal noch, für den Bruchteil einer Sekunde, reißt es ihn zurück aus seinem dimensionslosen Sturz. Überdeutlich sieht er die Wände der Zentrale um sich, die Versteifungen, Instrumente, Steuertaster und Signallampen. Und das Gesicht Tonders, entsetzt, reglos mit weit aufgerissenen Augen. Und er hört den Schrei des Piloten, obwohl dessen Gesicht erstarrt ist, als werde es mitten in der Bewegung von einem Blitz aus der Dunkelheit gerissen, er sieht das Gesicht, obwohl ihm Tonder den Rücken zukehrt.
    Dann ist wieder nur die Helle um ihn, die Schale mit den einwärts gebogenen Rändern, der Druck im Hirn, die absolute Weite. Jetzt aber weiß Kalo, daß sie sich in äußerster Gefahr befinden; das ist nicht das Transportfeld der Säule, ein gesteuertes konzentriertes Magnetfeld tastet nach ihren Hirnen, sucht sich ihrer zu bemächtigen. Nur noch Sekunden, dann wird ihr Ich ebenso gründlich gelöscht sein wie die Informationen des Steuerhirns.
    Seltsamerweise beunruhigt ihn weder dieses Wissen noch die herannahende Gefahr.
     
    Die Welt besteht aus einer bläulich schimmernden Schale mit vibrierenden Rändern. Und aus dem Zentrum dieser Schale taucht nach Ewigkeiten ein feiner Schatten auf, verdichtet sich, gewinnt Konturen, nimmt schließlich Tiefe an: ein fremdes Gesicht. 
    Ist es wirklich fremd? Hat Kalo es nicht schon tausendmal gesehen, sich dieses erstaunliche Ebenmaß eingeprägt? Diese schmalen, kühn geschwungenen Lippen, die breite Stirn mit der weitausladenden Wölbung, die spitz hervorstechenden Wangenknochen, die lidlosen runden Augen, die wie in einem inneren Feuer brennen. 
    Das Gesicht ist ernst, ist von einem Ernst, der Teil dieses fremden Antlitzes geworden ist wie der Hauch metallisch-bläulicher Blässe, wie

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