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Stern auf Nullkurs (1979)

Stern auf Nullkurs (1979)

Titel: Stern auf Nullkurs (1979) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Frühauf
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konnte nicht einmal lachen über das Gefasel, er wurde nur nachdenklicher, und er richtete sich auf einen langen Weg ein. Er wußte, daß sie sich eine Aufgabe von größter Wichtigkeit gestellt hatten, er und Kregg, Randolph und Pela, Tonder und Aikiko und all die anderen, die mehr wußten als die meisten.
     
    Als Kalo den Lift betrat, um sich zum Expreß zu begeben, unterwiesen sich Halbwüchsige in der Kunst des Überlebens.
    „Großvater hat gesagt, es sei das beste, so schnell wie möglich ans Meer zu ziehen."
    „Und weshalb ausgerechnet ans Meer?"
    „Die Berge, sagt er, erwischt es zuerst, wenn der Stern kommt. Es wird wärmer werden, denn die Sonne wird sich ausdehnen, und am Meer bleiben die Temperaturen niedriger."
    „Auch das Meer wird sich erwärmen, und es wird Erdbeben geben." 
    „Aber am Wasser..."
    „Auch Seebeben wird es geben und Überschwemmungen." 
    „Und doch wird in den Bergen..."
    „Das Meer wird steigen, wenn das Eis an den Polen schmilzt." Einen Augenblick herrschte verdutztes Schweigen, dann zuckte der Knirps, der unbedingt ans Meer ziehen wollte, die Schultern. „Ich werde Großvater fragen."
    Im Handumdrehen hatten sie das Thema vergessen, ein neues gefunden, die Regionalmeisterschaft in irgendeiner Sportart, von der Kalo nur wußte, daß sie mit dem Zieltauchen einer Gruppe zusammenhing.
     
    Die zwei Tage in der Stadt haben Kalo nicht klüger gemacht. 
    Nun ist er also auf dem Wege zu Aikiko Mangawa, was er Kregg nicht hören lassen dürfte, er ist also auf dem Wege zur Arbeitsgruppe Interkos. Und dort wird er Aikiko Mangawa treffen, die Frau, die ein Teil seines Ichs war, die Frau, die er vor vielen Jahren kennenlernte, deren Lebensweg den seinen berührte, wie sich zwei Gläser berühren, leicht und flüchtig und doch innig genug, um sie beide zum Klingen zu bringen.
    So war ihre erste Begegnung, schön und ohne tiefe Bedeutung, aber das Klingen in ihnen blieb und der Wunsch, einander wiederzusehen. Wie mit magischen Kräften zog es sie immer wieder zueinander, bis das Klingen durch Aikikos Spott verstummte. 
    Nun wird er sie also wiedersehen, Aikiko, seine Aikiko, die zierliche, dunkle Frau mit der ungewöhnlichen Stimme, die ihn manchmal an das Rascheln feiner Seide erinnerte und manchmal an die Härte und Schärfe von Stahl.
     
    Er hatte das Grundstudium hinter sich und die Spezialausbildung noch nicht begonnen. Drei Monate, in denen er tun und lassen konnte, was ihm beliebte, lagen vor ihm. Keine Stüdienordnung, keine Vorlesungen im Informationszentrum, keine Übungen in der Klausurkammer, nichts von alledem, nur Freizeit, Bummeln und ein wenig Sport. 
    In den ersten Tagen erschienen ihm die Aussichten paradiesisch, aber bereits nach zwei Wochen überlegte er ernstlich, was er mit sich und seiner unausgefüllten Zeit anfangen könne.
    Zu viert saßen sie in einem kleinen Restaurant im Westbogen der Stadt, fast siebenhundert Meter über dem Meer. Die Terrasse klebte wie ein Schwalbennest an der konvexen Außenseite des Stadttrichters, zwischen den Tischen standen Bäume in Holzkübeln. Man erreichte das Restaurant mühelos über den Gleitweg der zweihundertelften Ebene, sie aber waren aus einem unerfindlichen Grund mehr als dreißig Minuten auf dem geschwungenen Wanderweg des westlichen Bogens gelaufen. Nun hatten sie sich in ihren Sesseln zurückgelehnt und blinzelten in den blauen Himmel, vor dem sich die Zweige alter Buchen einander entgegenneigten, hin und wieder schlossen sie die Augen vor einem durch das Blätterdach irrenden Sonnenstrahl. 
    Es war entsetzlich langweilig, alle Gesprächsthemen hatten sich längst erschöpft, jeder kannte jeden, hatte sich die Standardgeschichte der anderen wohl ein dutzendmal, die Kommentare der Freunde dazu drei-oder viermal anhören müssen. Es geschah nichts, was sie aufgemuntert. hätte, das Leben schien stillzustehen, schien in der Sonne zu dösen wie sie.
    Und doch sollte dies der letzte Tag in Kalos beschaulichem Feriendasein werden.
    Es mochte gegen achtzehn Uhr sein, ein brütend warmer, leerer Tag neigte sich seinem Ende zu, als sie durch ungewöhnliche Geräusche aus ihrer Lethargie aufgescheucht wurden. Rhytmisches Klatschen vieler Füße und im gleichen Takt ausgestoßene kurze Schreie näherten sich auf dem Wanderweg. 
    Noch fast ohne Interesse richtete Kalo sich auf. Den Waldweg entlang trabte eine Gruppe junger Leute, ganz in Weiß gekleidet, die Arme angewinkelt, sich in den Schultern wiegend. Sie trugen

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