Stern auf Nullkurs (1979)
hautenge Overalls, ihr Haar war ungewöhnlich kurz geschnitten.
Der dicke Peltone öffnete träge die Augen. „Was sind denn das für welche?"
Niemand vermochte es sofort zu sagen. Erst als die Sportler näher gekommen waren und das Emblem auf ihrer linken Brustseite zu erkennen war, winkte einer der anderen ab. „Drachenflieger. Sie werden wohl für die Meisterschaften trainieren."
Kalos Interesse wuchs. Während der ersten Jahre seines Studiums hatte er hin und wieder an kleineren Wettbewerben teilgenommen, wohl auch sporadisch trainiert, aber da sich keine nennenswerten Erfolge einstellten, hatte er es bald aufgegeben, zumal das Studium den ganzen Menschen erforderte.
„Drachenfliegen ist ein schöner Sport", erklärte er.
Peltone grinste breit. „Wir fliegen, wir fliegen der Sonne entgegen", sang er.
„Weiter, weiter!" forderte Kalo.
„Weiter weiß ich nicht. Hab nichts übrig für Lyrik."
Vielleicht gab diese Bemerkung den Ausschlag. Kalo kam sich plötzlich faul vor, fett und faul wie Peltone. Er stand auf, hob die Arme über den Kopf und tat ein paar tänzelnde Schritte. Die anderen beobachteten ihn und verzogen die Gesichter, aber das störte ihn nicht mehr.
„Gleich fliegt er ihnen nach", spottete Peltone. Seltsamerweise lachte niemand über den Witz.
Noch am selben Abend meldeten sie sich zum Training an, Kalo und die beiden anderen, Peltone hatte abgelehnt.
Einige Tage später, das Training hatte bereits begonnen, trabten sie in ihrer Gruppe am Stammlokal vorüber. Peltone saß am Tisch, dick und träge, ein Glas Wein vor sich, allein. Er winkte matt, grinste über das ganze Gesicht, aber man sah ihm an, daß er sich noch mehr als sonst langweilte.
„Wir fliegen, wir fliegen...", rief er.
Sie begannen mit leichtem Lauftraining, aber schon nach drei Tagen kam die Kraftarbeit hinzu. Von diesem Zeitpunkt an war das Trainig hart und leistungsorientiert. Nach einer Woche gaben Kalos beide Freunde auf. Ganz gegen seine Gewohnheit biß er die Zähne zusammen und trainierte weiter.
Am schwersten fiel ihm die Arbeit am Simulator, er sank abends völlig erschöpft ins Bett und schlief fest und traumlos. Er spürte, daß mit ihm eine erstaunliche Wandlung vor sich ging. Von Tag zu Tag fühlte er sich leichter, kräftiger, die intensive Bewegung machte ihm Freude. Immer häufiger befaßte er sich auch theoretisch mit der Funktion bestimmter Muskelgruppen, trainierte sie gezielt und versuchte ihr Leistungsvermögen zu testen.
Besonderes Vergnügen bereitete ihm das psychologische Training, bei dem vor allem Wert auf Motivation und Unempfindlichkeit gegen körperliche Überlastung gelegt wurde. Vielleicht bewirkte die kluge Abstimmung aller Komponenten, daß sein Selbstvertrauen wuchs, daß er sich selbst und seine Belastbarkeit kennenlernte. In keiner Phase der Vorbereitung auf die Meisterschaften spürte er das Verlangen aufzugeben, einfach alles stehen- und liegenzulassen und zu gehen, wie er das früher mitunter getan hatte. Wahrscheinlich orientierte er sich durch die einfühlsame psychische Beeinflussung ausgerechnet am Besten der Gruppe, an Torre Nelen.
Nelen war Nordländer, hochgewachsen und breit in den Schultern, mit großen blauen Kinderaugen, die stets ein wenig versonnen blickten. Sein blonder Bart zeigte manchmal einen rötlichen Schimmer, vor allem, wenn er sich in den Trainingspausen irgendwo lang ausstreckte, um sich die Sonne ins Gesicht scheinen zu lassen. Vielleicht war dieser Sonnenhunger seine einzige Leidenschaft, niemand hatte Nelen je erregt gesehen, niemand hatte jemals ein lautes oder urlbeherrschtes Wort von ihm gehört. Aber es gab auch Leute, die behaupteten, er habe noch nie aus vollem Herzen gelacht.
Auch Kalo kannte ihn nur wortkarg, ausgeglichen und ruhig, wenn man nach der kurzen Zeit gemeinsamen Trainings überhaupt von Kennenlernen sprechen konnte.
Und ausgerechnet an diesem Mann hatte sich Kalo Jordan nach dem Willen der Psychologen zu orientieren. An wem aber maß sich Torre Nelen?
Das Abschlußtraining endete mit einem Gruppenflug über eine Strecke, die etwa der des Meisterschaftskurses entsprach. Sie starteten von mehreren Terrassen der zehnten Ebene aus. Während die Starthelfer die Gurte des Drachens an Kalos Kombination befestigten und anzogen, stand er an der Brüstung und starrte hinunter auf die Ebene, wo einzelne Windböen das Gras wie in Wellen fluten ließen. Hin und wieder gab er den Helfern Hinweise. Er wußte aus
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