Stern der Göttin
zurechtweisen sollte, zuckte dann aber mit den Schultern. Sie kannte die Gebräuche in Tanfun nicht und wollte auch nicht so lange bleiben, um sie genau kennenzulernen.
Als sie zurückkehrte, lag Ysobel immer noch in einem tiefen, und wie es aussah, von angenehmen Träumen erfüllten Schlaf. Naika wusch mit dem auf einer Anrichte stehenden Wasser, das eigentlich zum Trinken gebracht worden war, die gelbe Farbe aus ihrem Haar. Als Laisa hereinkam, zeigte sie auf die gelbliche Brühe, die ihr dabei über Gesicht und Schultern rann.
»Wie ich gehört habe, soll es ja echte gelbe Nixen geben, aber ich habe noch nie eine gesehen. Dabei liegt unser Nixensee direkt an den Grenzen des Gelben Landes. Glaubst du, du könntest es schaffen, mich bis dorthin zu bringen? Ich war ein paar Jahrhunderte nicht dort und sehne mich nach meiner Heimat.«
Bislang waren Laisas Pläne nicht weiter gediehen als bis zum Land der Bärenmenschen. Sie wollte Naika schon versprechen, über Borain hinaus bis zum Nixensee zu reisen, als mit einem Mal das Gefühl in ihr hochstieg, sie habe vorher noch etwas weit Wichtigeres zu erledigen. Seit sie jener Frau mit den goldenen Augen begegnet war, tauchten immer wieder fremdartige Bilder in ihrem Kopf auf, und sie wusste nicht, was diese zu bedeuten hatten. Sie erinnerte sich an ihre seltsamen Träume, und es war ihr, als riefe sie jemand zu sich. Verwirrt schüttelte sie sich und überlegte, dass es einen Sinn haben musste, weshalb die goldene Frau sie ausgerechnet in diese Gegend gebracht hatte.
»Ich werde Borlon und Rongi holen, damit wir unsere nächsten Schritte beraten können«, sagte sie, unsicher geworden, und wandte sich zur Tür. Im selben Augenblick wurde diese geöffnet, und Tiehu trat ein.
»Wenn ich die werte Dame bitten dürfte, mich zum großen Tempel der Hauptstadt zu begleiten, um mit uns allen zusammen dem großen Gott Talien für die glückliche Rettung des Prinzen und den günstigen Ausgang der Rebellion zu danken.«
Seufzend folgte Laisa dem Mann, bereute es aber schon bald. Der gelbe Gott musste eine Vorliebe für nichtssagendes Geschwafel haben, dachte sie, denn die Zeremonien dauerten endlos, und als der Oberpriester sie endlich mit dem letzten Abbrennen gelber Räucherstäbe beendete, knurrte ihr Magen bereits so laut, dass die nächststehenden Leute ängstlich von ihr abrückten.
☀ ☀ ☀
Als Laisa zu ihren Gefährten zurückkehrte, war ihr Entschluss gefasst. Tanfun mochte ein schönes Land sein, mit herrlichen Wäldern und freundlichen Menschen, aber sie wollte keinen Tag länger hierbleiben.
Inzwischen hatten sich auch Borlon und Rongi eingefunden und aßen gemeinsam mit Naika und Ysobel zu Abend. Laisa schnappte sich ein Hühnerbein und riss hungrig das Fleisch von den Knochen.
»Wie war das mit den Tischsitten?«, tadelte Naika sie.
»Ich bin eine Katze. Die essen immer so«, erklärte Laisa und bedauerte es sofort, da Rongi dies als Erlaubnis betrachtete, sich genauso schlecht zu benehmen.
Dennoch warf sie das abgenagte Bein in eine Ecke und sah ihre Freunde durchdringend an. »Haltet ihr mich für feige, wenn ich sage, dass ich am liebsten schon morgen diese Stadt verlassen würde, obwohl die Sache mit den Freistädtern noch nicht ausgestanden ist?«
Borlon schüttelte heftig den Kopf. »Meandir bewahre! Du hast mehr für dieses Land getan als jeder andere. Mit Morkok und dessen Gesindel werden Hubais Soldaten alleine fertig.«
»Vielleicht sollte ich versuchen, auch noch diesen Freistadt-Anführer gefangen zu nehmen«, überlegte Laisa laut, doch Naika widersprach ihr sofort.
»Morkok hat erlebt, wie Waihe direkt unter seinen Augen entführt worden ist. Er wird sich das eine Lehre sein lassen und nur gut bewacht und im Schutz von Artefakten schlafen gehen. Also würdest du ein unnötiges Risiko eingehen.«
»Naika hat recht!«, stimmte Ysobel der Nixe zu. »Ich kenne die Freistädter. Du würdest Morkok nicht fangen können, sondern eher selbst in Gefahr geraten.«
Das Gerede ihrer Begleiter brachte Laisa beinahe dazu, es aus purem Trotz doch zu versuchen, aber drei durch den Palast hallende Trommelschläge lenkten sie ab. Die Trommeln kündeten das Abendbankett an.
Angesichts ihrer Erfahrungen mit dem Dankesfeuer im Tempel befürchtete Laisa erneut endlose Gebete und Zeremonien und wurde, als sie den Gästetrakt des Palastes verließen und den großen Saal betraten, nicht enttäuscht. Sie war auch froh, bereits etwas gegessen zu haben, denn
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