Stern der Göttin
eine von ihnen scheu.
Die andere Sklavin bestaunte gerührt das Geldstück. »Wir werden es aber verstecken müssen, damit die Aufseherin es uns nicht wegnimmt. Bei Gott, wenn nur jeder Gast in diesem Haus so freizügig wäre, könnte mein Schatz mich bald freikaufen.«
Laisa fasste sie bei der Schulter und zog sie herum. »Wer ist dein Schatz?«
»Ein junger Schreiner aus der Stadt. Er mag mich, aber er hat nicht das Geld, um mich auszulösen.«
»Wie viel brauchst du?«, fragte Laisa knapp.
»Fünf Silberfirin. Sklaven kosten derzeit nicht viel, da die entwurzelten Menschen aus dem Süden ständig Nachschub liefern.« Die Frau klang bitter, und sie berichtete, dass ihre Familie sie an einen Sklavenhändler hatte verkaufen müssen, um überleben zu können.
Unterdessen zog Laisa eine Silbermünze heraus, die mehr als den doppelten Wert der genannten Summe besaß, und drückte sie der Sklavin in die Hand. »Hier nimm, und führe ein glückliches Leben.« Als sie auch der zweiten Sklavin eine Münze geben wollte, wehrte diese ab.
»Lasst es sein, Herrin! Ich besitze niemanden, der mich freikaufen würde.«
»Soll ich es tun?«
Die Frau schüttelte den Kopf. »Nein, da bleibe ich lieber hier in der Burg. Mit Pferden und Reiten habe ich es nicht so. Aber jetzt müssen wir uns um Eure Sachen kümmern, Herrin. Wenn die Aufseherin hereinschaut und uns herumstehen sieht, setzt es Hiebe.«
Die beiden Sklavinnen wandten sich Laisas Gepäck zu und sahen sich dann erstaunt an. Außer den Sachen, die Laisa am Leib trug, einem Hemd und einem Kilt zum Wechseln besaß sie keine weiteren Kleidungsstücke. Allerdings hatte Khaton sie eindrucksvoll ausgestattet. Ihre Kleidung bestand aus einem fast knielangen blauen Kilt und einem gleichfarbigen Hemd aus einem dünnen, aber sehr elastischen Stoff, der, wie der weiße Evari erklärt hatte, die Festigkeit einer leichten Rüstung aufwies. Darüber hatte Laisa einen Lederpanzer von ungewöhnlicher Machart umgeschnallt. Es war so gestaltet, dass er ihre Bewegungen nicht behinderte, und besaß auf der Brust ein Streifenmuster, das an Fischgräten erinnerte. Besonders auffällig waren jedoch die sechs Wurfmesser, deren Griffe schräg nach außen zeigten. Laisa hatte unterwegs mit diesen Waffen geübt und kam gut damit zurecht, auch wenn sie Ysobels meisterliches Geschick bei weitem nicht erreichte.
Ebenfalls aus Khatons Beutekeller stammte ihr Schwert mit einem kinderfaustgroßen blauen Edelstein am Knauf sowie der auf den Rücken geschnallte Köcher mit einem reich verzierten, blau schimmernden Langbogen und mehreren Dutzend in der gleichen Farbe gefiederten Pfeilen.
In dieser Tracht bot sie einen kriegerischen Anblick, den Sarlik erst so richtig zu bemerken schien, als sie den großen Saal seiner Burg betrat. Er begrüßte sie weitaus ehrerbietiger als vorhin und führte sie zu dem Ehrenplatz, den sonst er selbst einnahm. Es handelte sich um ein altes, kunstvoll geschnitztes Gestühl, das ausgezeichnet zu der Wandvertäfelung und der bemalten Kassettendecke des Raumes passte. Dieser war im Vergleich zu den Sälen, die Laisa in Tanfun gesehen hatte, nicht besonders groß. Es gab auch nicht die eine lange Tafel für alle Gäste, sondern sechs Tische, die so angeordnet waren, dass sie sie von ihrem Platz aus überblicken konnte.
Anders als für die Menschen auf der anderen Seite des Stromes schien hier die Sechs keine Unglückszahl zu sein, denn sowohl der Grundriss der Stadt wie auch der der Festung waren sechseckig, ebenso der Marktplatz, den Laisa von ihrem Platz aus durch ein Fenster sehen konnte, und an jedem der Tische befanden sich sechs Stühle.
Der Stadtherr wartete, bis die Sklavinnen ein üppiges Mahl aufgetragen hatten, dann hob er seinen goldenen Pokal und prostete Laisa zu. »Auf Euer Wohl, werte Dame! Ich bin sehr erfreut über Euer Erscheinen. Der ehrenwerte Frong ist in den letzten Jahren nämlich selten gekommen und hat auch nur wenige Boten geschickt. Er gab Euch gewiss ein Erkennungszeichen.«
Der letzte Satz gefiel Laisa gar nicht. Da fasste Ysobel ihre Hand, und sie hörte deren lautlose Stimme in ihrem Kopf. Diese beschrieb ein seltsames Symbol, das wie die Querachsen eines Sechsecks aussahen. Mit angespannter Miene tauchte Laisa eine Kralle in ihren Becher und zeichnete dann diese drei Striche auf den Tisch. Sie beobachtete Sarlik dabei scharf, sah aber sofort, wie dieser zufrieden nickte.
»Jetzt sehe ich, dass Euch wirklich Frong geschickt hat!
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