Stern der Göttin
wenn ich Euch belästige, edle Dame, aber ich habe Euch eine Botschaft meines Herrn Sarlik zu überbringen.«
»Eine Botschaft! Wo ist sie?« Laisa streckte den Arm aus und erhielt ein versiegeltes Schreiben. Es roch genau so wie der Empfehlungsbrief für den Wirt in T’woollion, den Sarlik ihr gestern hatte schreiben lassen. Trotzdem brach sie das Siegel mit einem gewissen Misstrauen und entfaltete den Brief. Die klangvollen Titel und Ränge, die Sarlik sich selbst verliehen hatte, überschlug sie und las nur den relativ kurzen Text.
»Es ist meine Bitte an Euch, die Überbringerin dieser Botschaft, die Sklavin Heklah, mit Euch zu nehmen und meinem guten Freund Yugnar in T’woollion zu übergeben. Ich bin ihm diesen Gefallen schuldig.«
Laisa sah überrascht auf. »Hier steht, dass du mit uns kommen sollst!«
»Wenn der Herr es so will, wird es geschehen.« Heklah schlug dabei die Augen nieder und verbeugte sich erneut.
Ysobel lenkte ihr Pferd so nahe an Laisas Stute heran, dass sie ihr etwas ins Ohr flüstern konnte, ohne dass die Sklavin es hören konnte. »Sie ist eine Spionin! Wahrscheinlich hat Sarlik irgendwie gemerkt, dass wir nicht die sind, für die er uns zunächst gehalten hat, und dieses Weibsstück hinter uns hergeschickt. Sie kann schreiben und vermag ihm daher Botschaften zu senden.«
Diese Möglichkeit konnte Laisa nicht einfach ignorieren, zumal sie Heklah nicht traute. Die Frau roch nicht so, als sagte sie die ganze Wahrheit. Doch was sollte sie tun? Zurückschicken konnte sie die Sklavin nicht, ohne den Verdacht des Herrn von Maraandlion zu erregen. Dabei hatte dieser seine Botin nicht gerade für einen langen Ritt ausgerüstet. Ihr Pferd war alt und schwach, und sie selbst trug unter dem weiten Kapuzenumhang nur ihren einfachen Sklavenkittel. Daher waren ihre nackten Beine, wie Laisa nach kurzem Schnuppern feststellte, bereits von der kurzen Strecke von der Stadt hierher aufgescheuert.
»Wir können sie nicht zurückschicken, ohne Verdacht zu erregen, also ist es besser, wir nehmen sie mit, dann behalten wir sie wenigstens im Auge«, raunte Laisa Ysobel zu und wandte sich dann an die Sklavin. »Wenn du uns folgen willst, wirst du dich ranhalten müssen. Ich bin es gewohnt, rasch zu reisen.«
»Ich werde alles tun, um kein Hindernis für Euch zu sein.« Heklahs Stimme zitterte, als hätte sie Angst, zurückbleiben zu müssen.
Das konnte Laisa gut verstehen. Wenn die Frau in einem fremden Land ohne Begleitung aufgegriffen wurde, galt sie wegen ihres Halsringes als flüchtige Sklavin und wurde, wenn sie viel Glück hatte, ihrem Herrn zurückgebracht. Meistens aber wurden solche Flüchtlinge zum Nutzen ihrer Finder neu verkauft. Laisa erinnerte sich an die junge Sklavin, die lieber in der Burg hatte bleiben wollen, als sich von jemand kaufen zu lassen, dem sie nicht vertraute. Diese Gedanken ließen sie freundlicher reagieren, als sie eigentlich wollte.
»Wir werden schon dafür sorgen, dass du uns nicht verlorengehst. Doch als Erstes sollten wir dir passende Kleidung besorgen. Wenn nämlich dein Hintern zum Reiten zu wund wird, müssten wir dich bäuchlings auf das Pferd schnallen.«
»Wenn es notwendig sein sollte, dann tut es«, erklärte Heklah.
Laisa merkte verwundert, dass es der Frau damit völlig ernst war.
☀ ☀ ☀
Um Maraandlion herum hatte es noch vereinzelte Bauernhöfe gegeben, doch kurz darauf ritten Laisa und ihre Begleiter durch ein Gebiet, das der Verödung preisgegeben worden war. Hie und da trafen sie auf die Mauerreste niedergebrannter Häuser und auf Felder, die seit Jahren nicht mehr bestellt worden waren.
Heklah bemerkte Laisas verwunderten Blick und begann zu erklären. »Das hat Sarlik angeordnet. Um Maraand zurückzudrängen, hat er das Hinterland mehr als einen Tagesritt weit verwüsten lassen. Die Leute, die einst hier gelebt haben, mussten alle fliehen. Wer es nicht tat, wurde gefangen genommen und als Sklave verkauft.«
»Ein wahrlich freundlicher Herr! Wenn ich wieder einmal in diese Gegend komme, muss ich mir überlegen, ob ich ihm nicht doch die Kehle aufschlitzen sollte!« Laisa fauchte wütend und winkte ihren Leuten, schneller zu reiten.
In dieser Nacht musste die Gruppe in einem verlassenen Bauerngehöft übernachten, welches das Feuer und die Zerstörung überstanden hatte und ihnen ein noch halbwegs dichtes Dach gegen den feinen Regen bot, der jetzt vom Himmel fiel. Zum Reden war keinem zumute.
Laisa saß stumm auf einem Mauervorsprung und
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