Stern der Göttin
ihn die Motten zerfressen! Nein, so geht es nicht.« Laisa schlang ihren Schwanz um ihr rechtes Bein und sah jeden, der sich ihr auf weniger als drei Schritte näherte, drohend an.
Die alte Gräfin schien zu überlegen und wandte sich dann etwas ängstlich an Laisa. »Verzeiht, Herrin, aber wir haben so lange den Segen einer der großen Damen Ilynas entbehrt, dass ich nicht anders kann, als Euch zu bitten, uns und vor allem unserer Jugend zu gestatten, Euch wenigstens einmal berühren zu dürfen. Keine Sorge, ich werde ihnen verbieten, Euch Haare auszurupfen. Aber wenn Ihr vielleicht erlaubt, dass ich Euch ein paar Haare mit der Schere abschneiden darf, natürlich an einer Stelle, an der es niemand sieht …«
Da Laisa dem bettelnden Blick Ilanaths nicht widerstehen konnte, brummte sie etwas, das als halbe Zusage aufgefasst werden konnte. Gleichzeitig fragte sie sich, was diese Menschen in ihr zu sehen glaubten. Schon die Bevölkerung von Maraandlion hatte ihr einen ähnlichen Empfang bereitet. Was wäre dort noch geschehen, hätte Sarlik sie nicht in seine Burg rufen lassen? Eines schien ihr aber sicher zu sein: Die Leute hier hielten sie im Gegensatz zu dem Herrn von Maraandlion für keine Verbündete von Freistädtern und deren Freunden, mochten sie nun Frong oder anders heißen.
Das Gebäude, in das Laisa geführt wurde, war das größte des ganzen Dorfes. Aus schweren Balken errichtet, stellte es für sich eine kleine Festung dar. Laisa roch mehrere Zauber, die auf dem Gebäude lagen und die von einem menschengroßen Standbild ausgingen, das auf einem dreieckigen Sockel die Göttin Ilyna in ihren drei Erscheinungsformen als menschenähnliche Göttin, als Schlangenfrau und als Katzenfrau zeigte.
»Diese Darstellung der dreigestaltigen Ilyna stammt aus dem Blauen Land. Yahyeh selbst hat sie nach Maraand gebracht, damit sie uns die Kraft gibt, unser Land gegen das Gesindel am Strom zu verteidigen und unsere Küsten wieder zurückzugewinnen. Es ist eine Schande, dass ein Volk Ilynas von Menschen der eigenen Farbe aus seiner Heimat vertrieben und versklavt worden ist. Doch wir werden uns zurückholen, was uns einst gehörte, und die bestrafen, die uns Übles taten.« Gräfin Ilanaths Stimme klang hart, und Laisa begriff, dass Sarlik und dessen Söldner diese Frau und ihren Anhang fürchten sollten. Auch schien die blaue Evari sich durchaus um die Belange der ihr anvertrauten Menschen zu kümmern.
»Diese Statue besitzt eine starke, innere Kraft«, sagte Ilanath voller Stolz. Laisa legte die Hand auf die Erscheinung als Katze und spürte es selbst. Ihre magische Ausbildung war zu gering, um die Schutzzauber zu verstehen, die Yahyeh in diese Statue gelegt hatte, doch die Gräfin erklärte ihr stolz, dass sie diesen Tempel völlig und das Dorf recht gut vor Angriff und Feuersbrunst behüten würden.
»Sie bewahrt uns auch vor den üblen Zauberrollen, welche die Freistädter gerne gegen ihre Feinde anwenden, und gibt uns die Kraft, uns selbst gegen einen überlegenen Feind zu behaupten«, setzte Ilanath mit zufriedener Miene hinzu, um dann abrupt das Thema zu wechseln.
»Bitte kommt nun, denn das Mahl ist bereit. Wir können Euch zwar nur wenig Auswahl bieten, doch es kommt von Herzen.«
»Ich danke dir!«, sagte Laisa, deren Magen bei der Erwähnung des Essens erwartungsvoll zu knurren begann.
Ihre Stimmung sank jedoch, als sie ihr in den Raum folgte, in dem bereits ein Tisch für sie und ihre Leute gedeckt worden war. Die irdenen Tiegel verströmten selbst bei geschlossenen Deckeln den Geruch nach sehr viel Minzenkraut. Außerdem bestand der Eintopf, den sie erhielt, aus pappigen, leicht scharf schmeckenden Gemüsescheiben, die auf der Liste der Nahrungsmittel, die Laisa am wenigsten mochte, sofort einen der vorderen Plätze belegten. Irgendwie hatte sie auf der anderen Seite des Stromes besser gespeist. Sie wollte dies aber nicht diesen Leuten zum Vorwurf machen, denn diese konnten ihr auch nur das vorsetzen, was sie selbst besaßen.
Da sie sich jedoch im Mittelpunkt unzähliger Blicke befand, durfte sie sich ihre Abscheu vor dem Steckrübeneintopf nicht anmerken lassen. Mit einem nicht ganz echten Lächeln reichte sie den Mädchen, die sie bedienten, je ein paar Münzen, und war froh, als das Essen endlich vorbei war. Damit waren die Heimsuchungen allerdings nicht vorüber, denn zum Abschluss gab es einen Sud von getrocknetem Minzenkraut, der so penetrant roch, dass Laisa sich am liebsten die Nase
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