Stern der Göttin
sie sich danach, einen Tempel in Daschon aufzusuchen und der Göttin für ihre Rettung zu danken. Nicht weniger verzehrte sie sich danach, Angehörige ihres eigenen Volkes treffen und wieder ihr altes Leben aufnehmen zu können.
Andererseits wollte sie Laisa nicht enttäuschen. Die Katzendame hatte ihr nicht nur das Leben gerettet, sondern sie drüben auch vor Feinden aller Art beschützt. Ysobel schätzte, dass bis zum Dreifarbenfluss, der die Grenze Daschons zu seinen nördlichen Nachbarn bildete, sechs bis sieben Tagesreisen zu reiten waren. Außerdem lagen hinter Daschon noch weitere violette Reiche, so dass sie die Entscheidung, ob sie Laisa verlassen oder weiter mit ihr ziehen wollte, gar nicht so rasch treffen musste. Bei dem Gedanken fühlte sie sich so erleichtert, dass sie sich sogar bei Heklah bedankte, als diese ihr ein großes, gut durchgebratenes Stück Fleisch reichte.
Während sie durch West-Daschon ritten, wunderte Laisa sich über den abrupten Wechsel der Kultur und auch der Pflanzen. Hatten in Maraand Blautöne vorgeherrscht, breitete sich nun ein Meer aus violetten Blättern, Blüten und Gräsern aus. Auch der Baustil der Häuser unterschied sich stark von Maraand. Es gab zwar auch hier Palisadendörfer, doch diese waren nach einem strikt sechseckigen Muster errichtet worden. Auch die Tempel und ein Teil der Wohnhäuser zeigten diesen Grundriss, während Scheunen und Ställe rechteckig gebaut worden und an einer Seite offen waren.
Die Bevölkerung war sichtlich arm, und eine violette Steckrübenart bildete für die meisten Menschen die Hauptmahlzeit. Da Laisa sich wegen ihrer menschlichen Begleiterinnen nicht nur von erjagtem Wild ernähren konnte, mussten sie ein paar Mal in eines der Dörfer reiten, die auf ihrem Weg lagen, und dort einkehren.
Zu Laisas Bedauern erregten sie auch dort größeres Aufsehen. Keiner der Einheimischen konnte sich entsinnen, je eine Katzenfrau gesehen zu haben. Entsprechend groß war ihre Neugier, und auch hier versuchten einige vorwitzige Mädchen und Jungen, ihr Haare aus dem Schwanz zu zupfen. Es blieb Laisa nichts anderes übrig, als diesen immer wieder um ihr rechtes Bein zu ringeln, auch wenn dies auf die Dauer unbequem wurde.
Der einzige Vorteil, den Daschon in ihren Augen bot, war die Tatsache, dass die Bewohner für ihre Speisen auf die übermäßige Verwendung von Minzenkraut verzichteten. Allerdings besaßen sie etliche scharfe Gemüsesorten, die Laisas Geschmacksnerven nicht weniger peinigten.
Im Großen und Ganzen gefiel es ihr aber, durch die Lande zu reisen und sich die Menschen und Gegenden anzusehen. Nur Heklahs Anwesenheit störte sie. Obwohl die junge Frau sich bemühte, alle Arbeiten zu ihrer Zufriedenheit zu erledigen, war Laisa mehr denn je davon überzeugt, dass die Sklavin etwas vor ihr verbarg. Die junge Frau hatte sich unterwegs aus einer Decke eine Hose genäht, damit sie ihre Oberschenkel nicht mehr am Sattelleder wund ritt, und drängte nun in einer Weise vorwärts, als wolle sie T’woollion zu einem bestimmten Zeitpunkt erreichen.
Bis jetzt hatte Laisa die Sklavin nur beobachtet. Als die Gruppe jedoch den Dreifarbenfluss erreichte, wollte sie eine Entscheidung herbeiführen und winkte Heklah zu sich. »Komm her!«
»Wie Ihr wünscht, Herrin.« Heklah lenkte ihr Pferd neben das von Laisa und sah sie fragend an.
»Wäre es jetzt nicht an der Zeit, dass du uns die Wahrheit bekennst?« Laisas Stimme klang sanft, doch die ausgefahrenen Krallen ihrer rechten Hand, die sie an Heklahs Kehle legte, sprachen eine andere Sprache.
»Die Wahrheit, Herrin?« Heklah konnte nur noch krächzen, blieb aber erstaunlich ruhig. Erst als Laisa Ysobel befahl, ihr den Brief an den Wirt in T’woollion abzunehmen und ihn zu öffnen, kam Leben in sie.
»Nein, nicht, ich …«, rief sie und versuchte, Ysobels zugreifende Hand wegzuschlagen.
»Das würde ich lieber nicht tun!« Laisa verstärkte den Druck ihrer Krallen, bis an Heklahs Hals ein einzelner Blutstropfen austrat.
Heklah wimmerte wie ein kleines Kind, während ihr die Tränen über die Wangen liefen. »Gnade! Ich will euch doch nicht schaden.«
Inzwischen hatte Ysobel das Schreiben an sich genommen und geöffnet. Jetzt hielt sie es so, dass Laisa es entziffern konnte. Dieser fielen fast die Augen aus dem Kopf, denn das war keine Botschaft für Yugnar oder einen anderen von Frongs Gewährsmännern, sondern eine Freilassungsurkunde für Heklah mit dem Recht, sich ihren Sklavenring von jedem
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