Stern der Göttin
nicht mehr vor der Sonne stand, begriff der T’wooler jedoch, dass er keine Adelsdame aus einem der Wardan-Reiche vor sich sah, sondern ein Wesen aus uralten Sagen und Mythen. Trotzdem trat er, als sie das Südufer des Flusses erreicht hatten, wie ein fleischgewordenes Symbol t’woolischer Macht auf ihr Schiff zu.
»Im Namen des großen Arendhar. Ihr werdet in unserem Gewahrsam bleiben, bis Prinzessin Zhirilah wieder in Freiheit ist.«
Doch Laisa hatte inzwischen verstanden, dass sie sich in diesen Gegenden nur durchsetzen konnte, wenn sie sich so benahm, wie es ihrem Rang als Götterlandwesen angemessen war. Daher blickte sie den Mann von oben herab an. »Als Dame Ilynas unterstehe ich nicht der Gerichtsbarkeit eines kleinen Menschenreiches der Dämmerlande, merk dir das!«
Der T’wooler schluckte sichtlich, als sie sein Land als kleines Reich bezeichnete, aber ihr Auftritt machte Eindruck. Da es seit Generationen keine Besuche aus den Götterlanden mehr gegeben hatte, wusste der Mann nicht, wie er sich ihr gegenüber verhalten sollte. Einem Wesen aus Giringars eigenem Reich wäre er voller Ehrerbietung entgegengetreten, doch in seinen Augen gehörte Laisa nun einmal der blauen Göttin an, und deren Farbe war nicht erst seit der Entführung Prinzessin Zhirilahs in T’wool schlecht angesehen. Trotzdem erschien es dem Offizier zu riskant, eine Dame aus einem Götterland zu erzürnen. Er rang sich eine leichte Verbeugung ab und deutete dann auf den wehrhaft aussehenden Sechseckturm, der sich neben dem Hafen in den Himmel reckte.
»Wenn die Dame erlaubt, wird der Stadtpräfekt sich geehrt fühlen, sie und ihre Begleiter in dieser Nacht als Gäste begrüßen zu können.«
»Wohl unten im Kerker«, warf Ysobel bissig ein.
Der Mann schüttelte sofort den Kopf. »Natürlich nicht! Verzeiht meine unbedachten Worte von vorhin. Dies ist eine Sache, die weit über das hinausgeht, was ich oder der Hafenmeister entscheiden können. Dies kann nur in T’woollion geschehen, oder gar in der Hauptstadt. Ihr müsst wissen, dass eine Dame aus einem schwarzen Reich, die auf Pilgerfahrt in unser Reich kam, in T’woollion von Schurken Eurer Farbe entführt wurde.«
»Das hättest du gleich sagen können. Ich dulde Entführungen nicht und werde dafür sorgen, dass die Prinzessin so rasch wie möglich freikommt. Doch dafür muss ich auf schnellstem Weg in eure Hafenstadt.«
»Ich werde Euch morgen früh unseren besten Ruderer zur Verfügung stellen.« Der Offizier schien erleichtert, dass Laisa sich bereit zeigte, nach T’woollion weiterzureisen. Daher wurde er im weiteren Verlauf des Abends um einiges höflicher. Der Einzige, dem diese Entwicklung nicht passte, war der Schiffer, mit dem Laisa bis hierher gekommen war, denn noch mehr als der Verlust seiner Fahrgäste schmerzte es ihn, auf deren Rösser als Treidelpferde verzichten zu müssen.
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Siebzehntes Kapitel
Der Turm des Magiers
T ekoloks Pferd blieb mit einem Ruck stehen, als wäre es gegen eine Felswand geprallt. Der junge Magier zischte einen Fluch und stieß dem Tier die Sporen in die Flanken. Doch anstatt vorwärtszugehen, drehte das Tier sich um und versuchte, in die Richtung zu laufen, aus der es gekommen war.
»Was ist los?«, rief Wassarghan seinem Gefolgsmann zu, der eigentlich an der Spitze reiten sollte.
Wie die meisten Magier war Tekolok ein ungeübter Reiter und hatte seinem Pferd immer wieder magisch seinen Willen aufzwingen müssen. Das versuchte er auch jetzt, aber ohne Erfolg.
Verwirrt sah er Wassarghan an. »Der verdammte Gaul reagiert nicht mehr auf die Zügel und auch nicht auf Beeinflussungsmagie.«
Wassarghan sah sich prüfend um und zog ein kleines Artefakt aus der Tasche. Sofort zogen schwärzliche Schwaden durch den schlichten, hellgrauen Kristall.
»Hier beginnen die ersten Abwehrzauber dieses Bastards Tharon. Was du gerade zu spüren bekommst, soll Menschen und deren Reittiere von seinem Turm fernhalten. Es wäre zu gefährlich, einen Gegenzauber zu sprechen. Daher werden wir die Pferde wieder in der Glasfalle verstauen und zu Fuß weitergehen.«
»Aber es sind noch mindestens dreißig Meilen bis zu Tharons Turm«, rief Ugurol, der bereits bei der Schwarzen Festung gefordert hatte, Versetzungsartefakte zu benutzen, entsetzt.
Wassarghan konnte Ugurols magischer Ausstrahlung entnehmen, dass dieser sich auch jetzt lieber versetzt hätte, und ärgerte sich über ihn. In Zukunft, so beschloss er, würde er ihm die schlechtesten und
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