Stern der Göttin
ihm unbekanntes Wort.
Das Artefakt schoss aus dem Kasten und flog auf die Eirun zu. Diese fing es auf und hob es hoch in die Luft. Im selben Augenblick tauchte es die Kammer in gleißendes, goldenes Licht. Während Meanil die Kraft des Artefaktes förmlich in sich aufsog, versuchte Wassarghan, doch noch in den Besitz des Kristallsterns zu gelangen.
Seine Lähmwaffe versagte jedoch, und dann fiel auch noch das Abschirmartefakt aus, das ihn seit Jahrtausenden zuverlässig vor jedem feindlichen Angriff geschützt hatte.
Laisa bemerkte seine Absicht, den Stern an sich zu reißen, trat ihm in den Weg und streichelte erwartungsvoll ihre Dolchkralle. Zu ihrer Verwunderung aber beachtete Wassarghan sie gar nicht, sondern erstarrte mit furchtverzerrter Miene. Nun begriff auch sie, dass Iriseas Stern ihn aller magischen Kräfte beraubt hatte. In dieser dichten Wolke goldener Magie würde er nicht mehr in der Lage sein, sich nach einer tödlichen Verletzung selbst zu erhalten.
Noch während Wassarghan verzweifelt überlegte, wie er mit dieser so urplötzlich erfolgten Änderung der Gegebenheiten fertig werden sollte, ertönte ein heftiger Knall, und mitten im Raum tauchte ein Mann mit zornrotem Kopf auf. Laisa brauchte nicht einmal auf den weiten, schwarzen Mantel zu schauen, um zu wissen, dass es sich um Tharon handelte. Der schwarze Evari hielt einen langen Stab in der Faust und richtete ihn auf Meanil.
»Gegen diese weiße Hexe hilft dir dein Stab auch nichts mehr«, höhnte Wassarghan, der sich trotz seiner eigenen misslichen Lage freute, dass sein verhasster Konkurrent nun seinem letzten Kampf entgegensah.
Laisa war sich da nicht so sicher, dann sie fühlte die ungeheure Konzentration starker, schwarzer Magie in Tharons Stab. Meanil spürte diese ebenfalls und starrte ihren neuen Gegner unschlüssig an.
Unterdessen war Wassarghan klargeworden, dass das goldene Feld auch die Wirkung der meisten Artefakte in der Festung ausschaltete. Damit funktionierten auch die Waffen und Fallen nicht mehr, die ihn hätten aufhalten können. Da die Kräfte, die bei einer Auseinandersetzung hier frei werden mussten, auch ihn umbringen würden, stürmte er an dem Evari vorbei zur Tür und verschwand im Gang.
Wenn ich es klug anfange, kann ich Tharon die ganze Schuld an dem Desaster in die Schuhe schieben und selbst meinen Vorteil daraus ziehen, dachte er, als er auf den Ausgang zurannte.
In der Kammer sah Tharon sich währenddessen einer entschlossenen Gruppe von Gegnern gegenüber. In den Augen der Eirun las er Wut und den Willen, ihn zu vernichten. Die Frau war mächtig, und er hätte ihr in alter Zeit nicht im Kampf gegenüberstehen mögen. Doch seltsamerweise sagte ihm sein Gefühl, dass nicht sie die größte Gefahr für ihn darstellte, sondern Laisa. Zwischen ihm und Meanil herrschte ein fragiles Gleichgewicht, das die Katze beeinflussen konnte. Die goldene Magie des Sterns schwächte ihn bei weitem nicht so, wie sie es bei Wassarghan getan hatte. Dennoch hatte er das Gefühl, dass es nicht gut wäre, hier Kampfmagie anzuwenden.
Sein Blick suchte das Artefakt in Meanils Hand. Es war eine Narretei gewesen, dieses gefährliche Ding hierzubehalten. Doch welche andere Möglichkeit hätte er gehabt?
Im Schwarzen Land wäre das Artefakt sofort solchen Kreaturen wie Wassarghan in die Hände gefallen. Aber es dort liegen zu lassen, wo er es gefunden hatte, wäre vermutlich die schlechteste Lösung gewesen. Nun ärgerte er sich, dass er diese verdammte Eirun, nachdem er sie ausgegraben hatte, nicht gleich entsteinert und umgebracht hatte.
Ein Teil seiner Gedanken war so stark, dass Meanil sie empfing. Sie wusste, dass Leute wie Wassarghan nicht gezögert hätten, sie zu töten. Der Magier, der jetzt vor ihr stand, hatte es nicht getan. Dabei hasste sie kaum etwas mehr, als in der Schuld eines Schwarzländers zu stehen.
»Nun, was willst du anfangen, großer Magier?«, fragte sie ihn.
»Dich auf jeden Fall daran hindern, mit diesem Ding auf die andere Seite zurückzukehren und es erneut gegen uns einzusetzen.« Tharon wusste, dass ihm dieser Versuch wahrscheinlich seine Existenz kosten würde, doch er war bereit, diesen Preis zu zahlen.
Zum ersten Mal seit dem Friedensschluss vor fast neunhundert Jahren standen Weiß und Schwarz einander in einer solch enormen Machtfülle gegenüber und waren bedingungslos bereit, einander zu vernichten.
Laisa sah die beiden an und spürte, wie die Spannung zwischen Meanil und dem Evari stieg.
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