Stern der Göttin
Eigentlich war Tharon ihr Feind, doch anders als sein Gegenstück Khaton hatte er sie bei ihrer Begegnung in T’woollion höflich und eher wie eine ihm gleichgestellte Magierin behandelt. Sie schämte sich aber wegen des Täuschungsspiels, das sie mit ihm getrieben hatte, und auch aus diesem Grund wollte sie nicht, dass er hier starb.
Daher trat sie zwischen Meanil und Tharon und hob die Hand. »Können wir nicht vernünftig miteinander reden?«
Tharon musterte sie mit einem seltsam traurigen Blick. »So sieht man sich also wieder. Du bist mir schon in T’woollion ein wenig eigenartig erschienen, doch habe ich Narr dich trotzdem für eine Dame aus dem Blauen Land gehalten. Dabei bist du nur ein weißer Katzenbastard, der sich auf die andere Seite geschlagen hat.«
»Aber ich war geschickt genug, um den schwarzen Evari, einen der sechs mächtigsten Magier der Dämmerlande, an der Nase herumzuführen.« Laisa begann zu schnurren, auch weil das Geräusch beruhigend wirkte, und das konnten beide Kontrahenten brauchen.
Sie deutete auf den Stern. »Dieses Artefakt wird in keinem Krieg mehr eingesetzt werden. Die goldene Göttin fordert es zurück, weil es zu mächtig ist und die Waagschale des Schicksals zugunsten einer der beiden Seiten ausschlagen lassen könnte. Gib mir Iriseas Stern, Meanil! Ich werde ihn nach Westen bringen.«
»Irisea hat ihn mir vor langer Zeit geschenkt, und ich denke nicht daran, ihn herzugeben!« Die Miene der Eirun war hart wie der Stein, in den sie mehr als zweitausend Jahre lang verwandelt gewesen war.
Laisa dachte nicht daran aufzugeben, doch bevor sie etwas sagen konnte, richtete Meanil das Artefakt auf Tharon. »Gib uns den Weg frei!«
Anstatt zu gehorchen, wandte der schwarze Evari sich Laisa zu. »Was diese Hexe hier angeht, weiß ich, was ich von ihr zu halten habe. Doch wer hat dich geschickt? Gewiss nicht Irisea selbst.«
»Es war Khaton. Er erhielt den Auftrag aus dem Goldenen Land, und mich dazu, damit ich dieses Ding Tharon unter dem Hintern weghole!« Laisa konnte nicht anders, sie musste die Wahrheit bekennen, obwohl sie lieber gelogen hätte. Während sie es sagte, wurde sie von einem goldenen Licht umflossen, das Tharon und Meanil gleichermaßen zu faszinieren schien.
Dennoch blickte die Eirun Laisa irritiert an. »Du kannst den Stern nicht haben, denn er gehorcht nur mir! Sobald ich ihn aus der Hand gebe, wird der Kerl da uns vernichten.«
»Wenn der Stern dir so gehorchen würde, wie du es behauptest, wärst du niemals in die Situation geraten, von mir als Versteinerte aus einem Moor ausgegraben zu werden«, spottete Tharon.
»Seid still!«, fuhr Laisa sie an. »Meanil, was willst du tun? Die Kraft Iriseas als Waffe einsetzen? Erinnere dich daran: Der Stern wurde von der Göttin nicht als Waffe geschaffen, sondern nur zum Schutz. Du selbst hast mit ihm feindliche Heere auseinandergehalten. Willst du uns allen hier gegen den Willen Iriseas den Tod bringen?«
»Genau das wird sie tun!« Tharon sammelte seine Kräfte für einen Angriff, obwohl er wusste, dass die Energien, die er freisetzen musste, seinen Turm und einen Teil des Landes ringsum vernichten würden. Doch wenn das Artefakt samt der Eirun mit ihm zugrunde ging, hatte er seine Pflicht erfüllt.
Laisa überlegte verzweifelt, wie sie die beiden Streithähne zum Einlenken bewegen konnte. Tharon glaubte sie, überreden zu können, doch bei Meanil war sie sich nicht sicher. Die Eirun kannte den Frieden nicht, den die sechs Götter geschlossen hatten, und sie würde so handeln, wie sie es als Anführerin weißländischer Heere für richtig hielt.
Mit einem Mal lachte Laisa laut auf. Da zerbrach sie sich den Kopf, dabei war die Lösung so einfach. »Der Stern der Irisea wird dir nicht gehorchen, Meanil, denn er will nicht deinen oder unseren Tod. Gib ihn mir, und wir schließen Frieden mit Tharon. Du siehst doch, dass er auch froh wäre, wenn dieses Artefakt ins Goldene Land zurückgebracht würde.«
»Wird es auch wirklich dorthin gebracht?«, fragte der Evari zweifelnd.
»Das wird es, und wenn ich den Stern selbst dorthin tragen muss!« Laisa trat auf Meanil zu und streckte fordernd die Hand aus. »Wir haben Frieden, verstehst du? Die Götter der beiden Seiten bekämpfen einander nicht mehr.« Wieder umspielte ein goldenes Licht die Gestalt der Katzenfrau.
Einen Augenblick zögerte die Eirun noch, dann reichte sie Laisa sichtlich widerstrebend den Stern. Ihre Lippen bebten, und sie sah Tharon dabei an,
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