Stern der Göttin
zog sich dabei so geschickt aus der Schlinge, wie es ihm möglich war. Seinen Geldsegen erklärte er mit einer Erbschaft, die er vor kurzem erhalten hätte und die ihm diese Reise erst ermöglichen würde. Dennoch war er froh, als er das Essen beenden und wieder in seine Räume zurückkehren konnte. Frau Ketah war noch neugieriger, als er angenommen hatte, und er sann über eine magische Formel nach, die ihre Wissbegier in einen akzeptablen Rahmen lenken konnte. Sonst war die Frau wirklich noch imstande, trotz des Vergessenszaubers, den er eben erneuert hatte, seine Räume zu durchsuchen und dabei auf die Falltür in das tiefer gelegene Turmgeschoss zu stoßen. Da ihr Verschluss nur durch Magie geöffnet werden konnte, würde sie mit Sicherheit misstrauisch werden und mit anderen Leuten darüber reden.
Während Khaton sich fragte, welche Zauber er noch weben musste, um bei einer Wiederkehr alles so vorzufinden, wie er es hinterlassen hatte, wurde ihm klar, dass er nicht einmal wusste, wohin er sich wenden sollte. Bislang hatte er nur das Bedürfnis verspürt, Thelan zu verlassen und nach der geheimnisvollen Person zu suchen, die ihm angekündigt worden war. Doch wo sollte er anfangen?
☀ ☀ ☀
Am nächsten Morgen schlich Khaton noch im Morgengrauen aus dem Haus, denn einem weiteren Verhör durch seine Vermieterin fühlte er sich nicht gewachsen. Während er durch die noch menschenleeren Gassen schritt, stellte er fest, dass die Umgebung ganz anders wirkte, wenn man sich nicht auf einem kleinen Spaziergang befand, sondern eine lange Reise antrat. Das Bündel auf dem Rücken war ihm trotz seiner magischen Kräfte lästig, und es störte ihn, dass er den Kopf nicht mehr frei drehen konnte. Auch ragte der Packen so über ihn hinaus, dass dieser ihn an der Fußgängerpforte des Stadttors zu einer beinahe ehrfurchtsvollen Verbeugung zwang.
»Ihr habt ja einiges vor, Herr Professor«, spottete der Wächter, der ihm die Tür geöffnet hatte.
Khaton drückte ihm eine kleine Münze in die Hand und lächelte. »Die Welt will erkundet werden, mein Freund!«
»Da habt Ihr Euch aber sehr viel vorgenommen«, antwortete der Mann, der Zeit seines Lebens keine halbe Tagesreise von Thelan fortgekommen war.
Khaton dachte im Stillen, wie recht der alte Mann hatte, und wünschte ihm Meandirs Segen. Mit dem nächsten Schritt ließ er die Enge, aber auch das ungeheure Wissen der Gelehrtenstadt endgültig hinter sich.
Während der Evari zügig voranschritt, wanderte sein Blick nach Südosten. Ein Mensch hätte am Horizont nur die endlosen Wälder von Borain gesehen. Khatons Auge aber reichte weiter, daher nahm er die geballten Wolken giftiger Magien wahr, die hinter dem Land der Bärenmenschen aufstiegen. Auch dort wartete ein Problem, das er lösen musste. Irgendwann mussten die Ödlande von den Folgen der Kriege gereinigt und wieder besiedelt werden. Vor zwei Jahrhunderten hatte er die Sache schon einmal in Angriff genommen und Siedler, die den Boden wieder urbar machen sollten, im Schutz von Abschirmartefakten dorthin gebracht. Es war den Leuten gelungen, einige Landstriche zu entgiften und in fruchtbare Äcker und Gärten zu verwandeln. Kurz darauf aber hatten die Nachbarreiche sich diese Gebiete einverleibt und den Siedlern alle Vorrechte und Privilegien entzogen, die er, der Evari, ihnen zugestanden hatte.
Bei dem Gedanken wurde Khatons Gesichtsausdruck hart. Seine Proteste gegen dieses Vorgehen hatten die Fürsten einfach ignoriert, und der Herrscher von Rudhilia hatte ihm sogar ins Gesicht gesagt, er habe ihm überhaupt nichts zu befehlen, da sein Reich in der Stammrolle des grünen Tempels von Edessin Dareh verzeichnet sei. Da er als Meandirs Wächter keine weltliche Macht in Form von Soldaten besaß und zudem einem Kodex unterworfen war, der ihm die großflächige Beeinflussung von Menschen untersagte, hätte er den aufgeblasenen Fürsten höchstens in einen schleimigen Molch verwandeln können. Khaton bedauerte noch immer, dies nicht getan zu haben. Den übrigen Fürsten und Königen wäre ein heilsamer Schreck in die Glieder gefahren, und sie hätten ihn danach zwar gefürchtet, ihm aber auch gehorcht.
»Wie man es auch macht, ist es verkehrt«, seufzte er, als er ein kleines Wäldchen erreichte. Er vergewisserte sich, dass niemand in der Nähe war, sprach einen Versetzungszauber und legte innerhalb weniger Wimpernschläge etliche Tagesreisen zurück.
Da sein Magierturm in einer abgelegenen Gegend stand, hatte er
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