Stern der Leidenschaft
wollte dir nur zeigen, dass du mich noch längst nicht so gut kennst, wie du sagst. Du kannst mir nicht jederzeit in den Kopf und ins Herz blicken. Und das ist gut so. Stell dir vor, wie langweilig das Leben ohne jede Überraschung wäre. Und was deine Wohnung betrifft – ich werde mich daran gewöhnen. Doch du weißt, wie ich lebe. Das Haus, das ich mir bauen wollte, wäre wahrscheinlich viermal so groß geworden wie mein Apartment, aber dennoch ganz bestimmt kein Schloss. Hier komme ich mir vor wie – wie in einem Märchen. Gegen Märchen habe ich eigentlich nichts einzuwenden, aber sie haben alle einen Anfang und ein Ende. Und das ist gut so. Für immer hier zu wohnen, kann ich mir nämlich nicht vorstellen.« »Du hast also den Wunsch, an einem anderen Ort zu leben.«
Sie antwortete ihm mit einer Gegenfrage. »Willst du denn für immer hier wohnen bleiben? Gemeinsam mit deiner Lebensgefährtin und mit eigenen Kindern?« »Hier gibt es genügend Platz für mehr als eine Familie«, erklärte Dalden.
»Stimmt. Aber darum geht es mir gar nicht. Möchtest du denn nicht eines Tages auf eigenen Füßen stehen? In einem eigenen Haus leben, das dir gehört und nicht deinen Eltern? Da, wo ich herkomme, verlässt man sein Elternhaus meist schon, wenn man einen Schulabschluss in der Tasche hat, und fängt ein eigenes Leben an. Bei uns ziehen die Eltern ihre Kinder groß und entlassen sie – mehr oder weniger gut gerüstet -hinaus in die Welt, sobald sie halbwegs erwachsen sind. Und du bist doch erwachsen, oder nicht?« Der finstere Blick, den Dalden ihr zuwarf, brachte Brittany zum Lachen. Selten sah man seinem Mienenspiel die Gefühle, die ihn bewegten, so deutlich an. »Tut mir Leid«, lenkte sie ein. »Aber ich musste diese Fragen stellen. Hier ist alles so anders als bei uns. Was ist mit den Frauen? Was arbeiten sie hier bei euch? Sie üben doch Berufe aus, nicht wahr?« »Nicht so, wie du meinst.« »Bring mich nach Hause.«
»Aber sie haben Hobbys.«
»Das reicht einer Frau, die gewohnt ist, für sich selbst zu sorgen, nicht aus«, murmelte Brittany. »Aber es gibt hier doch sicher Industrieanlagen. Es muss Handwerker geben, vielleicht sogar Schreiner und auf jeden Fall Sägewerke. Die ganze Stadt ist voll von Dingen, die irgendjemand hergestellt hat. Wo versteckt ihr die Werkstätten und Fabriken?«
»So etwas kennen wir in Kanis-tra nicht. Wir verändern die Natur oberhalb des Erdbodens nicht. Außer dort, wo wir Nahrungspflanzen anbauen.« »Und wie sieht es unter der Oberfläche aus?« »Gold wird in vielen Gegenden unserer Welt aus dem Boden geholt. Auch hier in Kanis-tra. Die Darash, die in der Nähe der Minen leben, verfügen über das Wissen und die Fertigkeit, daraus nützliche Gegenstände herzustellen.«
»Und was ist mit den Möbeln, die hier herumstehen?« »Diese Gegenstände stammen aus den südlicheren Ländern. Zweimal jährlich kommen große Handelskarawanen hier an, die diese und andere Waren zu uns transportieren. Im Norden gibt es Völker, die sich hervorragend auf das Töpfern verstehen. Und die meisten Darash können weben, nähen und Stoffe färben. Glas wird vor allem im Osten hergestellt. Aber man verschickt es nicht mit Karawanen, denn es würde wahrscheinlich nicht heil ankommen.« »Nun, das ist doch schon etwas.« Brittany war ein wenig erleichtert. »Wird es schwierig werden, von hier aus in eines dieser Länder zu pendeln und dort zu arbeiten?«
Schweigen und ein sehr verständnisloser Blick waren die Antwort. Brittany seufzte. Dann fiel ihr die Informationsquelle, die seit einiger Zeit ungenutzt an ihrer Hüfte hing, wieder ein.
»Was ist denn so unverständlich an meiner Frage, Martha?«, wollte sie wissen.
»Verstanden hat Dalden dich schon, Zuckerpüppchen. Aber er versteht dich nicht – wenn du weißt, was ich meine. Sha-Ka’ani-Frauen waren noch nie gezwungen, für ihren Lebensunterhalt zu arbeiten. Sie stehen ihr Leben lang unter dem Schutz ihrer Familien – was allerdings nicht bedeutet, dass sie keinerlei Pflichten haben. Wenn es dir hilft, dann stell dir eine erwachsene Sha-Ka’ani als Herrin eines mittelalterlichen Adelshauses vor, die die Schlüssel zu allen Kammern verwahrt und in Haus und Hof nach dem Rechten sieht. Sie beaufsichtigt die Dienerschaft und achtet darauf, dass alle notwendigen Arbeiten zur rechten Zeit und auf die rechte Art und Weise erledigt werden.« »Das ist kein Beruf, das ist Hausarbeit.« Martha kicherte. »Die Gesellschaft, aus der du
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