Stern der Riesen
dieses Bild künstlich ein, damit wir es beobachten können. Haben Sie schon bemerkt, daß die Tageslichtperioden an Intensität zunehmen?«
Heller hatte das registriert. Außerdem bemerkte sie, daß das Skelett des Fischs sich subtil zu verändern begann.
Seine Wirbelsäule verkürzte sich und wurde dicker, und die Gräten in seinen Flossen wurden länger und differenzierten sich zu deutlich ausgeprägten, durch Gelenke miteinander verbundenen Segmenten. Außerdem wanderten die Flossen langsam an die Unterseite des Tiers. »Was geht da vor sich?« fragte sie und deutete hin.
»Das ist eine Adaption, von der ich annahm, Sie würden sie vielleicht gern sehen«, antwortete Danchekker. »Das Jahr tritt jetzt in seine warme Periode ein, und die Meere um uns herum beginnen schnell zu verdunsten.« Sofort hob VISAR sie hilfsbereit hoch über die Wasseroberfläche, um die Aussage zu beweisen. Seit ihrer Ankunft hatte sich das Gesicht des Planeten bereits bis zur Unkenntlichkeit verändert. Die Meere waren zu einer Reihe von steilwandigen Becken zusammengeschrumpft und hatten damit breite Schelfgebiete freigelegt, die das, was vorher nur verteilte Inseln und kleinere Kontinente gewesen waren, zu riesigen Landmassen verband. Von den Küsten aus, die sich immer weiter zurückzogen, stiegen Teppiche von Vegetation bis in die Gebirgsregionen hinauf, die vorher völlig kahl gewesen waren. Eine dichte Wolkendecke hatte sich gebildet, aus der ständig Regen fiel und das Hochland durchtränkte.
Sie sahen noch eine Weile zu, wie die Oberfläche sich veränderte, bis sie schließlich wieder herabstiegen, um die lokalen Ereignisse in einem flachen Estuar zu verfolgen, wo ein Fluß, in dem das Wasser aus den regenreichen Gebieten im Inland abfloß, sich in dem freigelegten Konti-nentalschelf bis zum schrumpfenden ozeanischen Becken ein Bett gegraben hatte. Das Lebewesen, das sie vorher be-
obachtet hatten, hatte sich inzwischen zu einer Amphibie entwickelt, das die schlammige Ebene bewohnte. Seine rudimentären Gliedmaßen waren bereits voll funktionsfä-hig, und es besaß einen völlig differenzierten, beweglichen Kopf. »Dieses Tier löst seine Gräten durch Flüssigkeiten auf, deren Ausscheidung durch Umwelteinflüsse veranlaßt wird. Danach wächst ihm ein neues Skelett, das sich für das Leben in der veränderten Umwelt besser eignet«, erläuterte Danchekker. »Es ist wirklich bemerkenswert.«
Nach Hellers Ansicht war das eine zu drastische Lösung.
»Könnte es nicht einfach ein Fisch bleiben und dem Meer folgen?« fragte sie.
»Schon sehr bald wird es keine Meere mehr geben«, sagte Danchekker. »Warten Sie es ab.«
Die Meere schrumpften zu isolierten, von Schlamm um-gebenen Becken zusammen und trockneten schließlich ganz aus. Als das Klima immer heißer wurde, wurden aus den Flüssen aus dem Hochland Rinnsale, die nach einiger Zeit schon verdunstet waren, bevor sie die Becken erreicht hatten, und der ehemalige Meeresboden verwandelte sich in Wüstenland. Die Vegetation auf den Schelfen ging immer weiter zurück, bis nur noch vereinzelte Oasen von Leben übrig waren, die sich beharrlich auf den höchsten Pla-teaus und den Berggipfeln hielten. Das Tier war inzwischen nach oben gewandert und zeigte sich nun als völlig angepaßtes Landtier mit einer schuppigen Haut und Grei-farmen. In seinem äußeren Erscheinungsbild erinnerte es an die frühesten Reptilien auf der Erde. »Jetzt ist seine Verwandlung völlig abgeschlossen«, sagte Danchekker.
»Im Verlauf eines Jahres auf Surio durchlaufen die Tier-Zyklen in der Morphologie zwei extrem verschiedene Sta-
dien. Ein verblüffendes Beispiel dafür, wie beharrlich sich das Leben selbst unter den widrigsten Bedingungen halten kann, meinen Sie nicht auch?«
Die Tage wurden länger, als sich die Tageslichtperioden der beiden Sonnen überschnitten, und als Surio den Scheitelpunkt seiner Umlaufbahnkurve erreicht hatte und seinen langen Weg nach außen in die nächste kalte Phase begann, wurden sie wieder kürzer. Die Vegetation begann sich von den hohen Bereichen nach unten auszubreiten, die Gliedmaßen des Tiers begannen sich wieder zu verkürzen, und der gesamte Prozeß wiederholte sich in umgekehrter Reihenfolge. »Glauben Sie, daß sich auf einem Planeten wie diesem hier jemals Intelligenz entwickeln könnte?« fragte Heller interessiert.
»Wer weiß?« antwortete Danchekker. »Noch vor wenigen Tagen hätte ich das, was wir gerade gesehen haben, für undenkbar
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