Stern der Ungeborenen
der Animator nur mit Mühe seinen Oberleib bewegen konnte. Es war durchaus lächerlich von mir, aber ich fühlte mich ganz aufrichtig bemüßigt, einige Entschuldigungsworte vorzubringen, da ich schließlich zum erstenmal einen Menschen mit einem harten Gegenstand auf den Kopf geschlagen und ihn gleich darauf ins Wasser befördert hatte, wenn auch in Leichtes:
»Es tut mir leid, Maître Animator«, rief ich in den Nebel, »Sie sind ein Gelehrter, Sie gehören der höchsten Intelligenz an, es ist daher doppelt peinlich für mich, daß ich körperliche Gewalt gegen Sie anwenden mußte …«
Des Animators Antwort kam aus dem Nebel. Er lispelte wieder, wenn auch mit Anstrengung:
»Ich hätte damit rechnen sollen, daß ich’s mit keinem Kulturmenschen zu tun habe …«
»Damit hätten Sie in der Tat rechnen sollen. Denn von Ihrem Zeitpunkt aus gesehn bin ich wahrhaftig kein Kulturmensch, sondern ein Steinzeitler. Und als ein Steinzeitler stehe ich zu tief für den Wintergarten …«
»Das Schlimmste ist«, kam die Stimme aus dem Nebel, »daß Sie Ihren wohlgeborenen Freund in das Elend der Vergangenheit zurückreißen …«
»Ja, das ist mir Gott sei Dank gelungen, obwohl große Energie dazu gehört hat. Sehen Sie, und daher brauchen wir die weißen Kittel, um unbemerkt aus Ihrem Institut herauszukommen, wenn das Schicksal es erlaubt …«
»Oh wie mich friert, wie mich friert«, schnapperte es vom Mnemodrom her, und auch Badediener No. Zwei ließ einen leisen Wehlaut vernehmen.
»Leider können wir Ihnen nicht helfen, Maître. Aber Sie als ein Chef des Instituts werden sich doch selbst helfen können. Im Notfall werden Sie zu einem Haufen von fettem schwarzem Humus gelangen und sich hineinlegen, endlich, endlich, nach hundert Jahren von Widerspenstigkeit …«
»Und Sie, Seigneur«, ertönte die hohe Professorenstimme mit schneidender Schärfe, »und Sie haben sich doch nur aus Feigheit, aus der Feigheit des Altertums vor dem Ende, am Humus vorbeigewunden, tückisch und täppisch. Nur aus memmenhafter Feigheit, die sich lieber irgendwo unter der Erde ausstinkt, als das Ende mannhaft zu wählen und bis zum letzten Herzschlag zu bestimmen.«
»Das ist wahr, Animator, in jedem Wort. Ich lebe zu gern, selbst wenn mein Leben so dubios ist wie jetzt. Ich habe keine Lust, meinen Tod freiwillig zu wählen und zu beherrschen, wenn diese Beherrschung auch ein unermeßlicher Fortschritt sein mag, wie viele glauben … Es ist ganz hübsch, als Marguerite zu enden, weiß und reinlich. Der Weg dahin aber ist mir zu riskant, wenn ich an die Kataboliten denke. Der Tod steht
hinter
mir! Ich habe keine Angst vor ihm, ich am wenigsten, da ich ihn bereits kennengelernt habe. Ich aber will nicht, daß er
vor
mir stehe …«
»Feigheit und zu wenig moralischer Reinlichkeitssinn, nichts anderes.«
»Und Ihre hundertjährige Widerspenstigkeit, cher Maître, beruht sie nicht auf Feigheit?« fragte ich und fragte es ohne jeden Hohn.
»Meine Widerspenstigkeit«, schrie er zurück, »ist ein Opfer, das Sie gar nicht begreifen können. Ich nehme diese Existenz auf mich, weil meine Gedanken noch nicht ausgedacht sind … Soll ich Ihnen meine neuen Gedanken preisgeben?«
»Ich fürchte, meine Zeit reicht nicht dafür …«
»Ich gebe Sie und Ihren Freund verloren, Seigneur. Ich bin bereit, Sie zu den Stationen zurückzubringen …«
»Und die Bedingungen, Maître Animator?«
»Die einzig unerläßliche Bedingung, Seigneur: daß Sie mir aus dem Mnemodrom helfen, so wie Sie sich selbst geholfen haben. Wenn ich Sie zurückbringen will, muß ich schließlich dabei sein …«
»Es wundert mich, Animator, daß der mit Clairvoyance geschlagene astromentale Mensch seine Verstellungskraft nicht höher entwickelt hat. Eine Schwebung in Ihrem Vorschlag überzeugt mich davon, daß Sie uns hereinlegen wollen …«
»Das Mißtrauen, mit dem Sie die Schwebungen in meiner Stimme belauschen, ist nichts als kindliche Selbstüberschätzung, Seigneur. Der Wintergarten ist nicht auf Sie angewiesen …«
»Warum schenken Sie mir denn solch gewaltige Aufmerksamkeit, cher Maître?«
»Jeder Ausnahmefall erregt die Gunst des Forschers …«
»Ich bedauere, Sie in der Patsche lassen zu müssen … Ich fürchte nämlich, die Gunst des Forschers würde sofort wieder erwachen.«
»Ich bringe Sie unbeschädigt zur Hauptstation. Sie und Ihren Freund. Ich schwöre es bei der heiligen Retrogenese … Helfen Sie uns heraus!«
»In Ihnen,
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