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Stern der Ungeborenen

Stern der Ungeborenen

Titel: Stern der Ungeborenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Werfel
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auf sich selbst. Es ist ein in der Logik unerlaubter Sprung, aus diesem Willen zum Sein auf einen jenseitigen bewußten, persönlichen und gütigen Ursprung des Seins zu schließen.«
    Sapperlot, diesmal aber war’s professoral, und nicht zu wenig. Da lob ich mir meinen träumerischen Sophistes Io-Sum mit dem ahnungsvollen Herzen und den unerlaubten logischen Sprüngen. Io-Clap hingegen und sein Stil sind ja eine richtige Neuauflage unsrer schwierigen Herren Hegel bis Heidegger. Die Monolingua klingt nahezu deutsch in dieser Diktion. Auch zeigt Io-Clap die echte Verschlagenheit des deutschen Professors, der mit seinem Präzisionskauderwelsch immer bereit war, »dem Willen zum Sein« beizuspringen, sei’s als Infinitiv, sei’s als Pronomen Posessivum, ob dieser Wille nun Fridericus hieß, Wilhelm II . oder, oder, na, wie heißt der Kobold? Ich lese noch einmal in Sternschrift: »Kann das Leben, sofern es nicht seinem Gegenteil bereits angehört, dieses Gegenteil überhaupt wollen können?« Warum denn nicht soll es wollen können? Da haben wir ihn, den tückischen Herrn Sophistes. Er weiß sehr genau, daß dieses Leben manchmal recht leidenschaftlich sein Gegenteil wollen kann oder können will. (Übrigens, auch hier ist wieder das Wort »Tod« durch den Euphemismus »Gegenteil« ersetzt.) Vielleicht gibt es auch heute dann und wann Selbstmord und gräßliche Krankheiten. Für diese Fälle schmuggelte der Professor, um sich logisch zu sichern, den Nebensatz vom Leben ein, das bereits seinem Gegenteil angehört. Imposant, imposant! Oh, wie kenne ich diese Schliche. Es ist recht merkwürdig, daß ich jetzt für mein eigenes Zeitalter, die Anfänge der Menschheit, einen befriedigten Patriotismus empfinde und mich hinterlistig glücklich fühle, daß die Philosophie und Metaphysik seit Heraklit, Plato, Aristoteles, Thomas, Cartesius, Kant, Schopenhauer und Bergson nicht den geringsten Fortschritt gemacht zu haben scheint, sondern eher einen Rückschritt, – werden doch offensichtlich dergleichen Disputationen, wie wir sie einst in einer Kaffeehausecke abgeführt haben, heut und hier für titanische Gedankenarbeit gehalten.
    »Finden Sie nicht, Seigneur, daß Sophistes Io-Clap äußerst intelligent formuliert?« fragte mich jetzt der Wortführer, dessen schmales Gesicht unterm silbernen Lockenaufbau Voltaire glich, freilich einem sonderbar jugendschönen Voltaire und nicht dem bekannten satirischen Affen.
    »Untadelig intelligent«, erwiderte ich höflich. »Ich wundre mich nur, daß man nach so vielen geistigen Schiffbrüchen im Laufe der Jahrtausende noch immer dieselben Fehler begeht wie einst. In den Anfängen der Menschheit wußte man es längst, daß die größte Streitfrage aller Zeiten nicht allein mit den Waffen des Intellekts zu entscheiden ist, obwohl die römische Kirche das Dasein Gottes für die Einsicht der menschlichen Vernunft zugänglich hielt …«
    Bevor aber der Wortführer und die andern Junggesellen das Gespräch mit mir fortsetzen konnten, trat das unerwartete und für mich atemberaubende Ereignis ein, das mich mit einem Schlage berühmt machte, am dritten Tage des vierten Monats der siebenhundertzweiundvierzigsten Sonnenwoche der Null Komma Null Null Null dritten Evolution im elften Weltengroßjahr der Jungfrau auf dem Geodrom, als welches, wenn ich nicht irre, die zentrale Plaza des ganzen bewohnten Globus sein mußte. Es begann damit, daß ich meinen eigenen Augen nicht traute. Mitten am Nachthimmel dieser entlegenen zukünftigen Gegenwart, auf der schwarzen Schultafel der »Abendsterne Heute« stand mein eigener Name, vermehrt um das persönlichkeitsverleihende Präpositiv, jenes »Io«, welches den Menschen von jeder andern Kreatur unterscheidet. Mit blassem Schrecken las ich diesen Namen, von dem ich mich in einer unnennbar fernen Nacht verabschiedet hatte, und zwar, wie ich glaubte, auf immer und ewig; denn mein wirkliches unzerstörbares Ich konnte von Namen und Bewußtsein ebensowenig ganz bedeckt werden wie etwa ein erwachsener Körper von einem Taschentuch. Welche Verlegenheit, welche Last. Und es kam noch weit schlimmer. Die »Abendsterne« verkündeten in geradezu erregtem Brio, daß sich das »Komitee für die größte Streitfrage aller Zeiten« außerordentlich freue, heute dem P. T. Publikum eine seltene Überraschung bieten zu dürfen, nämlich mich, und zwar nicht nur den frühweltlichen »Seigneur« schlechtweg, was ja schon Überraschung genug wäre, sondern einen geistig

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