Sterne der Karibik: Roman (German Edition)
du? Dann sehen wir nicht wie Bittsteller aus.«
Titine lächelte. »Ich habe noch einige selbstgebastelte Strohsterne da. Ob er sich darüber freuen würde? Ob es ihn an die alte Heimat erinnert?«
»Ganz gewiss. Lass uns gleich aufbrechen.«
Neunundzwanzigstes Kapitel
F ela hatte geschuftet wie ein Tier. Tagsüber nagelte, klopfte, mauerte, hämmerte und zimmerte er, bis er bei Sonnenuntergang vollkommen erschöpft auf sein Lager sank. Andreas Winkler hatte Wort gehalten. Er hatte ihm ein halbes Dutzend Männer geschickt, die sich inzwischen mühten, die Zuckerrohrfelder wieder urbar zu machen. Sogar zehn Dutzend Setzlinge hatte er aufgetrieben. Das war nicht viel, war nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein, aber für Fela war es ein Zeichen der Hoffnung, ein Neubeginn.
Er hatte die Fensterläden repariert, ein paar Dielenbretter ausgebessert, die Löcher im Dach gestopft und die Wände im Schlafzimmer neu geweißt. Außerdem hatte er sich bemüht, die anderen Zimmer so wohnlich wie möglich zu machen.
Der erste Eindruck hatte getäuscht. Das Verwalterhaus war nicht so marode, wie es ihm am Anfang erschienen war, aber es blieb noch einiges zu tun. Die Korbmöbel auf der Veranda mussten repariert und gestrichen werden, in der Küche musste nach dem Herd gesehen werden und viele Dinge mehr.
»Sag mal, machst du eigentlich nie Pause?«
Fela fuhr herum und blickte geradewegs in Dr. Winklers strahlendes Gesicht. »Nur, wenn ich zu müde zum Arbeiten bin.«
»Isst du wenigstens hin und wieder etwas?« Der Arzt betrachtete besorgt Felas sehnigen Oberkörper, an dem nicht ein einziges Gramm Fett hing.
Fela lächelte. »Dank dir und deiner wunderbaren Köchin werde ich nicht verhungern. Das Essen, das mir deine Männer jeden Tag bringen, schmeckt köstlich. Richte der Köchin meinen Dank aus. Wenn ich nicht schon vergeben wäre, würde ich mich um sie bewerben.«
Dr. Winkler lachte. »Oh, dann würdest du mir aber immens ins Gehege kommen. Die Köchin mit all ihren Vorzügen gehört mir, und denk nicht einmal im Traum daran, von ihr mehr zu erhoffen als gutes Essen. Aber im Ernst: Wie geht es voran?«
Winkler setzte sich auf den Verandastuhl, den Fela gerade frisch geleimt hatte, und sah sich um. »Das Haus wirkt von außen schon wieder richtig freundlich. Du hast die Läden repariert, die Tür hängt nicht mehr in der Angel, der Boden ist glatt wie ein Tanzparkett. Sogar die Löcher im Dach sind verschwunden. Was willst du tun, wenn du fertig bist?«
Fela kratzte sich am Kopf und setzte sich auf die Verandastufen. »Ich weiß es, ehrlich gesagt, nicht. Ich möchte zu Titine, muss sie finden, das weiß ich. Aber ich habe keine Ahnung, wie das gelingen kann.«
Andreas Winkler holte eine Zeitung aus seiner Rocktasche: »Dann lies mal, was hier steht.«
Fela runzelte misstrauisch die Stirn, nahm dann die Trinidader Zeitung und las darin Hermanns Anzeige.
Verblüfft riss er die Augen auf. »Glaubst du, er meint das ernst?«, fragte er den Arzt.
Dr. Winkler nickte. »Ich denke schon. Es ist viel passiert. Die Dinge ändern sich, die Menschen ändern sich.«
»Du meinst also, ich sollte nach Havanna fahren?«
»Willst du denn?«, fragte Dr. Winkler zurück.
Fela verzog das Gesicht. »Ich habe keine große Lust, Hermann Fischer wiederzubegegnen. Bisher glaubte ich sogar, dass die Insel zu klein ist für uns beide. Aber jetzt denke ich nur an Titine und an mein Kind, das ich noch nicht einmal kenne. Das Leben wird weder leichter noch fröhlicher, wenn man auf Rache sinnt. Hermann ist mir inzwischen egal, aber um Titine zu finden, würde ich alles tun.« Er grinste ein wenig. »Außerdem ist es noch immer sein Ingenio. Zumindest fragen müsste ich ihn, ob ich hierbleiben darf.«
Dr. Winkler stand auf, zog seinen Rock glatt. »Dann ist die Sache wohl geklärt.«
»Ich verstehe nicht.« Fela blickte den Arzt misstrauisch an.
»Ganz einfach, du fährst nach Havanna. Mit dem nächsten Zug. Es ist noch früh am Tage. Wenn alles gutgeht, bist du am Abend in der Hauptstadt.«
»Nein!« Fela schüttelte energisch den Kopf. »Nein. Das ist zu früh. Viel zu früh. Hier ist noch nicht alles fertig. Die Felder, wir brauchen noch mehr Setzlinge, ich muss das Rohr erst auf dem Halm sehen. Und das Kinderzimmer ist auch noch nicht fertig.«
»Du hast also Angst«, stellte Andreas Winkler fest und grinste über das ganze Gesicht. »Dachte ich es mir doch. Stark und mutig genug, zwei Jahre allein in den
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