Sterne der Karibik: Roman (German Edition)
die hart zu arbeiten verstanden. Und er würde sich genau aussuchen, welche der Männer und Frauen er in seine Dienste übernahm.
Er nickte ihnen zu, war nie größer und mächtiger, nie selbstgewisser als in diesem Augenblick. Er hatte ihren Sieg, auf den sie so stolz waren, mit einem Lachen in eine bittere Niederlage verwandelt. Und so hockten sie da, die Frauen in die seidenen Kleider von Mafalda gehüllt, die Männer mit Kummerbunden um ihre fast nackten Hüften. In Hermanns Gesicht konnten sie lesen, wie lächerlich sie waren, wie klein, dumm und nichtswürdig.
Dann ritt Hermann in die Stadt, begab sich in die kleine Bar an der Plaza Mayor, in der Hoffnung, dort Nachrichten von den anderen Ingenios zu erhalten.
Er war überrascht, als er auf seinen Freund Andreas Winkler traf, ansonsten war die Bar leer. Er ließ sich neben den Arzt fallen und bestellte sich einen doppelten Rum. Dann fragte er: »Sind Mafalda und Titine auf dem Weg nach Havanna?«
Dr. Winkler nickte. »Ich habe ihnen zwei starke Männer zur Seite gestellt. Bewaffnete Männer. In Havanna werden sie von Joachim Groth persönlich abgeholt. Es gibt keinen Grund zur Besorgnis.«
»Wie geht es Titine?«
Dr. Winkler lächelte, aber es war ein schmerzliches Lächeln. »Es geht ihr besser, doch es geht ihr nicht gut. Der Schock sitzt tief. Hast du Fela gesehen?«
Verblüfft schüttelte Hermann den Kopf. »Nein. Und ich gebe zu, ich habe bis jetzt auch nicht an ihn gedacht. Wahrscheinlich ist er mit den anderen Aufständischen weitergezogen.« Er spielte mit seinem Glas und fügte hinzu: »Was mir natürlich nicht unlieb ist.«
Dr. Winkler sah sich um, deutete auf die leeren Tische und Stühle. »Hast du die Bar jemals so verlassen erlebt?« Er lächelte dabei, und Hermann erwiderte sein Lächeln.
»Nein, habe ich nicht. Wo sind sie denn alle hin, unsere weißen Brüder?«
»Der Bürgermeister hat es nur ein paar Meilen aus der Stadt heraus geschafft, habe ich gehört. Dort ist er wohl den eigenen Sklaven in die Hände gefallen.«
»Lebt er?«
Dr. Winkler lachte, beugte sich zu Hermann. »Und ob er lebt. Sie haben ihn in sein Haus geschleppt, zusammen mit Frau und Sohn. Dort bedient sie jetzt die Sklavinnen, von denen man hört, dass sie ihre Kleider tragen, sich mit ihrem Parfüm bespritzen und ihre Schokolade essen. Der Bürgermeister selbst muss den Diener für seine Sklaven spielen, ihnen Rum mit Zitronenwasser mixen und die Spitzen von den Zigarren abschneiden.«
Hermann brach in Gelächter aus. »Es wird ihm nicht schaden, denke ich. Und die anderen?«
Da wurde Dr. Winkler ernst. »Don Augusto haben sie aufgehängt, zuvor Frau und Tochter vor seinen Augen geschändet. Dann haben sie das Herrenhaus angezündet und sind weitergezogen. Es heißt, sie hätten sich in den Wäldern verschanzt.«
Hermann zündete sich eine Zigarre an. »Was soll nun werden?«, fragte er. »Wie soll es weitergehen?«
Dr. Winkler hob die Schultern. »Bei Gott, ich weiß es nicht, aber ich hoffe, dass wir das Schlimmste überstanden haben.«
Zweiter Teil
Trinidad
im Jahre 1880
Wie viel werden Kultur und Wohlstand dieses Landes einst gewinnen, wenn bei innerer Ruhe über 1500500 Piaster […] auf den Loskauf arbeitsamer Sklaven, wie dies schon jetzt dank der einsichtigen und humanen Gesetzgebung der Republik Colombia geschieht, verwandt werden. … Der Weisheit und Milde dieser spanischen Gesetzgebung ungeachtet bleibt der Sklave in der Einsamkeit einer Pflanzung oder eines Pachthofes den größten Misshandlungen preisgegeben, wenn auf demselben ein roher capataz (dt. Vorarbeiter), mit einem Buschmesser und einer Geißel, unbeschränkte Gewalt und Herrschaft übt! Gesetzlich ist weder eine Grenze für die Bestrafung des Sklaven noch die Dauer seiner Arbeitszeit bestimm; ebenso wenig finden sich die Beschaffenheit und Menge der ihm zu gewährenden Nahrungsmittel vorgeschrieben.
Erstes Kapitel
Z wölf Jahre waren seit dem Grito de Yara , seit dem Schrei nach Freiheit und einem von Spanien unabhängigen Kuba vergangen. In Deutschland gab es den Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund, der für die Rechte der Arbeiter eintrat, die Pariser Kommune war blutig unterdrückt worden, die spanische Republik war ausgerufen worden, in Frankreich und Spanien gründeten sich Arbeiterparteien, die Krinoline, von den Frauen unter den Röcken getragen, kam aus der Mode, und in Österreich entstanden Fremdenheime, in denen die Menschen Urlaub machen konnten. Nur auf
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