Sterne der Karibik: Roman (German Edition)
sie wieder und wusste offensichtlich nicht, was er tun sollte, so dass Hermann beinahe schon Mitleid mit ihm bekam.
Er legte ihm zaghaft eine Hand auf die Schulter. »Ich meine es ernst, Schmied. Nimm dir, was immer du willst. Trag es heim in deine Hütte. Mach deiner Frau, deinen Kindern eine Freude. Und wenn du alles hast, was du willst, wenn die anderen haben, was sie wollen, dann kommt zu mir und wir reden.«
Herreros Verblüffung wich dem jahrzehntelangen Misstrauen gegenüber den Weißen. »Worüber sollen wir reden?«, fragte er.
»Darüber, wie es weitergeht. Ihr könnt alle Ingenios des ganzen Landes niederbrennen, alle Herrenhäuser ausrauben, alle Weißen und Kreolen töten. Die Frage aber ist doch, wie es danach weitergeht. Ihr seid frei, ihr könnt gehen, aber ihr könnt auch bleiben und für mich arbeiten. Natürlich gegen Lohn. Ihr könnt mich aber auch töten, könnt mich auf eine Leiter ziehen und peitschen, bis mir die Haut in Fetzen vom Leib hängt, aber habt ihr dabei wirklich etwas gewonnen? Gibt es jemanden unter euch, der fähig ist, den Ingenio weiterzuführen, damit ihr eben auch noch im nächsten Jahr Brot und Milch habt? Kennt ihr euch aus mit den Verträgen? Wisst ihr, was mit dem Zucker geschieht, wenn er in Sisalsäcke verpackt ist? Ich denke nicht. Ihr mögt einen berechtigten Hass auf die Weißen haben, doch ihr müsst auch bedenken, dass ihr sie braucht, wenn ihr wirklich frei sein wollt.«
Hermann hatte ruhig und freundlich gesprochen, hatte dabei Herrero ernst in die Augen gesehen, und genau das schien den Schmied mehr zu verunsichern, als es eine Waffe in Hermanns Hand getan hätte. Sein Kopf senkte sich, die Schultern sackten nach vorn. Hermann erkannte, dass sich der große Mann geschlagen fühlte. Geschlagen ohne Waffe, geschlagen allein durch Vernunft und Worte. Das war schwerer zu ertragen, und Hermann wusste, dass der Hass, den der Mann gegen ihn schürte, nun noch größer geworden war. Größer, weil er endgültig begriffen hatte, dass er niemals frei sein konnte, sondern für den Rest seines Lebens Sklave blieb, gleichgültig, ob er eine Freilassungsurkunde hatte oder nicht. Und er begriff auch, dass seine Kinder Sklaven bleiben würden, aber er begriff nicht, warum das so war. Nur, dass an diesem Umstand wieder die Weißen die Schuld trugen.
Er blickte Hermann so hasserfüllt an, als trüge dieser ganz allein die Schuld an seiner Lage. Dann stieß er ihn rüde zur Seite und rannte nach oben in Richtung der Schlafzimmer.
Hermann sah ihm nach, schaute noch einmal auf der offenen Schwelle zu seinem Ingenio, der jetzt an allen Ecken brannte, dann verschloss er ordentlich die Tür und begab sich nach oben. Im Türrahmen zu seinem und Mafaldas Schlafzimmer blieb er stehen. Vier Sklaven, darunter Herrero, befanden sich in dem Raum. Einer lag, dreckig wie er war, auf dem Bett und wälzte sich darin wie ein junger Welpe. Ein anderer stand vor dem Kleiderschrank und presste Mafaldas Unterwäsche an sein Gesicht. Er sah dabei so glücklich aus, dass Hermann ihn leise aufforderte: »Nimm die Sachen mit. Schenk sie deiner Frau. Tu es einfach und mach dir keine Gedanken.«
Der Schwarze sah ihn an, als hätte Hermann ihn gerade um etwas betrogen, und mit einem Mal verstand Hermann. Die Männer wollten keine Erlaubnis, sie wollten sich nehmen, ohne zu fragen, wollten zerstören, um ihn leiden zu sehen. Sein Gleichmut stachelte sie an, beleidigte sie so sehr, wie es Schläge und Gegenwehr niemals hätten ausrichten können. Wenn er bis jetzt ihr Herr gewesen, den sie weder geliebt noch gehasst hatten, so war er jetzt zum erbitterten Feind ihres Stolzes geworden. Und die Wut, das sah er in ihren Augen, die glitzerten wie Eis, die verlangte nach Blut. Nach seinem Blut. Der Geruch würde sie noch weiter anstacheln, würde nach noch mehr Blut schreien, und das Wüten würde erst ein Ende nehmen, wenn alle mit ihren Kräften am Boden waren. Und dann würden sie sich überrascht und verlegen ansehen, noch mit Blut an den Händen, und sie würden nicht mehr wissen, was in sie gefahren war, nun, da der Rausch vorüber war. Und manch einer würde sich fragen, ob der Herr nicht recht hatte, ihn zu halten wie Vieh. Das alles sah Hermann, und doch hätte er am liebsten die Augen geschlossen und sich die Ohren zugehalten. Er wollte nicht, dass diese Menschen, seine Sklaven, in dieser Nacht noch den Rest Leben verloren, den sie hatten. Ihren Stolz, ihren Mut, ihre Selbstachtung.
Er wandte sich
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