Sterne im Sand
erstreckten.
Er hörte von all den bedauernswerten Menschen, die an diese Orte gebracht, sogar mit dem Schiff aus dem Süden herauftransportiert und wie Schafe eingepfercht wurden, und daß dort niemand Verständnis für Stammestabus aufbrachte, nach denen bestimmte Clans nicht gemeinsam am Lagerfeuer sitzen durften.
»Ich muß an diese Orte gehen«, sagte Moobuluk. »Ich muß es mit eigenen Augen sehen, denn diese Geschichten sind nur sehr schwer zu glauben.«
Yarrabah lag weit im Norden, das andere Reservat näher. Er folgte der Hügelkette nach Süden und erreichte von Westen her über Boß Brodericks Schafweiden das große Plateau. Spinner war noch dort. Obwohl er anscheinend keine Nachricht von den Kindern erhalten hatte, könnte er Nioka begegnet sein. Vielleicht war sie in der Hoffnung, sie dort anzutreffen, nach Springfield zurückgekehrt.
Moobuluk selbst hielt diese Hoffnung für vergeblich, da sie nun schon ganze Familien aus ihrer Heimat wegbrachten. Ihm liefen die Tränen über das vernarbte Gesicht. »Was soll bloß aus uns werden?«
Nioka hatte einen anderen Weg eingeschlagen als bei der gemeinsamen Wanderung der Horde nach Norden. Auf dem kürzesten Weg hatte sie die Siedlungen der Weißen aufgesucht, wo sie verzweifelt nach den Kindern Ausschau hielt.
Dieser Plan war ihr im Traum eingefallen, einem Alptraum, in dem sie mit ihrer Schwester gekämpft und versucht hatte, sich vor Minnies heftigen Keulenschlägen zu schützen. Dabei drohten sie beide in einem See zu ertrinken, über dem ein wilder Sturm tobte.
»Finde meinen Bobbo!« kreischte Minnie.
»Das geht nicht. Laß mich in Ruhe. Ich muß an Land.«
Sie schwamm wie wahnsinnig, war zornig auf Minnie, schluchzte vor Angst und schrie: »Ich weiß nicht, wo ich suchen soll.«
»Und ob du es weißt, du faules Miststück. Hättest du besser auf sie aufgepaßt, während ich gearbeitet habe, wären sie gar nicht erst verlorengegangen.«
Minnie schlug, unterstützt von unbekannten Dämonen, auf Nioka ein, die verzweifelt auf das unsichtbare Ufer zustrebte. Sie erwachte schweißgebadet und fand sich in der einsamen Hütte wieder, die sie für sich im Wald oberhalb des Sees errichtet hatte. Doch die Dämonen waren noch da. Wütend sprang sie auf und rannte schreiend ins Gebüsch.
»Laßt das, ihr bösen Wesen! Laßt meine Schwester ruhen, sonst rufe ich die Geister auf euch nieder. Meine Schwester war schwach, ich bin es nicht. Meine Mutter auch nicht.« Sie hob die Faust gegen die bedrohlich wirkenden Bäume. »Wir sind von hoher Herkunft. Nachkommen großer Häuptlinge. Ich werde ihren Sohn und meinen Sohn und Gabbidgees Sohn finden. Auf euer und ihr Geheul kann ich gut verzichten!«
Die Worte entsetzten sie, doch sie konnte sie nicht mehr zurücknehmen. Sie kehrte in den Schatten der Hütte zurück, setzte sich nieder und aß ein paar Nüsse.
Mit welchem Recht sagte Minnie, sie wüßte, wo sie zu suchen hätte? Wie konnten sie es wagen, ihr die Schuld zu geben? Wo sollte sie überhaupt mit ihrer Suche anfangen?
Und dann fiel es ihr ein. Natürlich bei den Weißen. Sie mußten dort irgendwo sein.
Sie würde von den Hügeln hinuntersteigen und die erleuchteten Häuser der Weißen aufsuchen. Straßen folgen, die zu anderen Lagern und Städten führten, und dabei jeden Zentimeter ausspähen. Damit würde sie ihre Schwester endlich zum Schweigen bringen.
Als sie aufbrach, war sie wütend auf Minnie, die Dämonen und vor allem auf den weißen Betmann und seine Sippschaft. Diese Wut trieb sie vorwärts.
Im ersten Dorf stahl sie eine Bluse und einen Rock von einer Wäscheleine, schwamm durch einen Bach, um sich vom Reiseschmutz zu befreien, und band ihr Haar mit einem Streifen Stoff von der Bluse zusammen. Barfuß, aber bekleidet, ging sie die Straße entlang, als kenne sie ihr Ziel genau, sah sich dabei aber ständig um und horchte auf Kinderstimmen.
Schon bald lernte Nioka die Schulen zu erkennen, doch sie schienen weißen Kindern vorbehalten zu sein; sie bemerkte Betmänner in schwarzer Kleidung mit umgedrehten Kragen und folgte ihnen in ihre Bethäuser. Einer von ihnen, ein alter, weißhaariger Mann, lud sie sogar zur Besichtigung seiner Kirche ein, doch Nioka traute sich nicht hinein, aus Angst, es sei eine Falle. Zu ihrer Überraschung fragte er, ob sie hungrig sei, womit er den Nagel auf den Kopf traf. Er bat sie zu warten. Vorsichtig blieb sie unter einem Baum stehen, und er kehrte mit einem Gefäß voll warmer Suppe zurück, die sie
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