Sterne im Sand
erwiderte Charlotte ernsthaft. »Im übrigen gibt es einen viel einfacheren Weg, unseren neuen Besitz zu verwalten.« Zum ersten Mal brachte sie ein Lächeln zustande. »Wir verpachten ihn an Springfield.«
Fern seufzte erleichtert. »Wieso hast du das nicht gleich gesagt?«
»Weil ich vermute, daß Victor eine Weile braucht, bis er diese Möglichkeit erkennt und uns, falls überhaupt, ein entsprechendes Angebot unterbreitet. Das bedeutet für mich ein Einkommen und für dich eine Rente. Bis dahin müssen wir nur dann einen neuen Bestand aufbauen, wenn wir es wirklich wollen. Wir haben das Land gekauft, das sollte fürs erste genügen.«
»Ich frage mich, wie sie reagieren, wenn sie es erfahren.«
Charlotte schüttelte den Kopf. »Nicht allzu erfreut, fürchte ich. Ich wünschte, ich würde mich bei dieser Sache wohler fühlen. Sie werden mich hassen.«
»Einen Moment.« Fern verschwand im Haus und kehrte mit einem Tablett zurück, auf dem eine Karaffe und zwei kleine Kristallgläser standen. Sie reichte Charlotte einen Sherry.
»Kein Wort mehr, bis wir einen Schluck von meinem Besten getrunken haben. Du steckst mich schon an mit deiner Nervosität.«
Charlotte kippte die Hälfte in einem Zug hinunter. »Ich habe Victor und Rupe heute geschrieben. Ich möchte nicht, daß sie es von jemand anderem erfahren. Sie sollen nicht als Narren dastehen. Ich habe ihnen erklärt, daß sie mir keine andere Wahl gelassen haben.«
»Oh Gott, ich fürchte, ›nicht allzu erfreut‹ ist die Untertreibung des Jahrhunderts.«
Charlottes Brief traf am gleichen Tag ein, an dem die Brodericks einen Reiter nach Cobbside geschickt hatten, wo er ein Telegramm an die Anwälte in Brisbane aufgeben sollte. Darin erkundigte sich Victor nach kürzlich getätigten Käufen von Springfield-Ländereien.
Als Reiter war Spinner ausgewählt worden, der sich über den freien Tag sehr freute. Man hatte ihn nämlich angewiesen, in der Stadt auf Antwort zu warten.
Allerdings störte ihn die Tatsache, daß er als Schwarzer nicht das Pub betreten durfte, obwohl er auf Springfield wie alle anderen Viehhüter behandelt wurde. Da er inzwischen jedoch voller Stolz den Rang eines bezahlten Arbeiters bekleidete, konnte er einen weißen Viehhüter dazu überreden, ihm im Pub einen Schnaps zu kaufen. Damit ging er in den Park neben dem neuen Rathaus, wo sich die Schwarzen zu versammeln pflegten.
Sie waren neugierig auf seine Heiratspläne, doch er weigerte sich, über dieses Thema zu sprechen.
»Hast du kalte Füße bekommen, Spinner?«
»Ist das Mädchen vielleicht zu schlau für dich?«
»Warum willst du unbedingt auf Springfield bleiben? Der große Boß ist tot, und den anderen bist du egal.«
Jeder in der schwarzen Gemeinschaft mischte sich in fremde Angelegenheiten, und Spinner spielte schon mit dem Gedanken, lieber neben dem Kolonialwarenladen zu warten, der gleichzeitig als Postamt fungierte. Dann spuckte jedoch ein alter Mann seinen Tabak aus und meldete sich zu Wort.
»Vielleicht wartet er auf seine eigenen Leute. Die kommen zurück, oder?«
»Wer sagt das?« knurrte Spinner.
Der alte Kerl nickte, grinste und kratzte sich am Schenkel.
»Sie kommen zurück. Ein paar Leute haben es gesehen. Sie haben es gesagt.«
»Was genau haben sie gesehen?«
»Die Emu-Leute haben gesehen, daß Honig verschwindet. Fischfallen. Kleine Lager. Alles auf deinem Land. Du bist kein Schwarzer mehr, sonst würdest du es auch gesehen haben. Da muß jemand sein.«
»Wo? Auf Springfield?«
»Was erzähle ich denn die ganze Zeit? Die Leute wandern umher. Gehen woanders hin. Sehen Zeichen. Da leben Schwarze. Sie bewegen sich. Erst sind sie auf einer Seite vom Fluß, dann auf der anderen.« Er gackerte fröhlich, als er sah, wie verblüfft Spinner wirkte.
»Ach, Unsinn! Wenn dort Schwarze leben würden, wüßte ich Bescheid.« Er kehrte in die Stadt zurück, kaufte sich beim Bäcker eine große Fleischpastete, verschlang sie gleich auf der Hintertreppe des Ladens und ließ sich dabei durch den Kopf gehen, was er soeben erfahren hatte.
Es stimmte, er würde es nicht merken, wenn einheimische oder fremde Aborigines Springfield beträten, doch die Stammesleute würden es wissen. Sie zogen ständig umher, ohne sich um Grenzen zu kümmern, die ohnehin nur für die Weißen galten. Ihnen würde auffallen, wenn Vogeleier in den Nestern fehlten, wenn Nußbäume erst kürzlich geplündert worden wären, wenn ein nackter Fuß Gras niedergetreten hätte. Ihren scharfen
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