Sterne im Sand
Sie rückte einige Kissen zurecht und ließ sich in ihren Sessel sinken. Sie saß gern bei Sonnenuntergang draußen auf der langgestreckten, gefliesten Veranda und ließ die Welt an sich vorüberziehen.
Charlotte seufzte. »Das weiß ich auch nicht so genau. Ich hoffe nur, ich habe das Richtige getan.«
»Guter Gott, für solche Bedenken ist es jetzt ein bißchen zu spät. Mr. Winters sagte, wir seien nun stolze Besitzerinnen von erstklassigem Weideland. Sind wir jetzt echte Squatter?«
»Wohl kaum. Echte Grasherzöge haben es im Blut. Man kann sich nicht einfach in diese Bruderschaft einkaufen. In den Downs gibt es Leute, die bereits vor Jahren eine Farm gekauft haben, und sie gelten noch immer nicht als vollwertige Mitglieder des Squatteradels.«
Als der Herrgott den Humor verteilte, hatte Charlotte nicht gerade ›Hier‹ geschrien, dachte Fern bei sich.
»Das war nur ein Scherz«, sagte sie beschwichtigend; die Besorgnis ihrer Schwägerin konnte sie aber gut nachfühlen. Immerhin hatte sie einen entscheidenden und darüber hinaus recht bizarren Schritt unternommen, um sich aus ihrer prekären Lage zu befreien. Allerdings hatte sich Fern, die immer ein waches Auge auf wirtschaftliche Entwicklungen hatte, insgeheim damit beruhigt, daß diese Entscheidung ja schließlich nicht unumkehrbar sei. Charlotte gegenüber wollte sie dies jedoch lieber nicht erwähnen, da sie fürchtete, damit deren Entschlossenheit gegenüber den Söhnen ins Wanken zu bringen.
»Du gehörst natürlich bereits zu dieser Elite …« sagte sie lächelnd.
»Erinnere mich bitte nicht daran. Kannst du dir vorstellen, daß mich eine dieser schrecklichen Frauen im Hotel als die Herzoginwitwe Mrs. Broderick bezeichnet hat? Ist das nicht furchtbar?«
Fern brach in lautes Gelächter aus. »Ich habe dir doch gesagt, du sollst bei mir einziehen.«
»Vielen Dank, aber ich bleibe doch lieber im Hotel.«
»Als Märtyrerin?«
»Ach was! Aber es ist an sich ganz gemütlich dort, und Victor und Rupe müssen mir den Aufenthalt bezahlen. Da werde ich ihnen doch nicht den Gefallen tun und ausziehen. Sie sollen so richtig schön ins Schwitzen kommen.«
»Das tun sie doch sowieso schon. Aber ich weiß immer noch nicht, was du als nächstes tun willst. Uns gehören jetzt also diese Grundstücke. Wie sollen wir sie verwalten?«
Charlotte sah zum blaßblauen Himmel auf, wo ein Schwarm Ibisse lautlos über die Baumkronen glitt. Die untergehende Sonne tauchte ihre weißen Schwingen in ein rosiges Licht. »Ich habe gründlich darüber nachgedacht. Es gibt mehrere Möglichkeiten. Victor muß seine Tiere von unserem Land holen, damit wir einen eigenen Bestand aufbauen und einen Verwalter einstellen können. Zweifellos wird er uns den Zugang zu den großen Scherschuppen verweigern. Ich könnte mir allerdings vorstellen, daß wir Ada Crossleys Einrichtungen benutzen dürfen.«
»Wer ist das?«
»Jock Walkers Tochter von der Nachbarfarm.«
»Die Schwester des Richters?«
»Genau.«
Unwillkürlich zuckte Fern zusammen. »Ich verstehe.«
Charlotte legte ihr dar, daß sie sich im Grunde nicht von den Siedlern unterschieden, die ein Stück Land von der Regierung erworben hatten, und erklärte detailliert, wie diese ihre Schaffarmen aufbauen würden. Im Vergleich zu Springfield war ihr Besitz winzig, verfügte jedoch über ausgezeichnete Weiden. Bisher hatte Fern die immensen Ausmaße von Austins Farm, die an einigen Stellen fünfzig Meilen breit war, nie richtig erfassen können, und war beeindruckt von Charlottes sachlicher Einschätzung. Sie schien genau zu wissen, wie viele Schafe jede Weide aufnehmen konnte, sprach über die natürliche Erweiterung und Reduzierung ihrer Herden und so viele andere Dinge, daß Fern nicht mehr mitkam.
»Du klingst wie Austin!«
»Er war ja auch ein guter Lehrmeister. Ich war nicht immer nur Hausfrau. Früher waren wir bei Wind und Wetter draußen, kämpften Seite an Seite um die neugeborenen Lämmer und schützten die frisch geschorenen Schafe vor Kälte und Feuchtigkeit. Wir kauften gemeinsam die Zuchtwidder ein und verwöhnten sie wie unsere eigenen Babys. Ein erstklassiges Schaf erkenne ich auf den ersten Blick. Daher ärgere ich mich jetzt auch so, daß Austin mich zu seiner Haushälterin gemacht hat und meine Söhne mich wie einen alten Klepper im Schuppen hinter dem Haus abstellen wollen.«
»Nicht gerade der richtige Platz für eine Herzoginwitwe, was?« fragte Fern augenzwinkernd.
»Ganz und gar nicht«,
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