Sterne im Sand
erschienen als erste.
»Elendes Pack!« fuhr Ada sie an. »Wie konntet ihr eurer Mutter das antun? Ist euch überhaupt klar, was sie durchgemacht hat?«
»Wieso? Was?« fragte Louisa, als die Männer Charlotte aufhoben und ins Haus trugen. Sie wollte mitgehen, kehrte dann aber zu Ada zurück, die sie jedoch beiseite stieß.
»Wir müssen einen Arzt rufen!« schrie Hannah, die sich hinter Victor und Harry in den Salon drängte, wo die beiden ihre Mutter auf das Sofa legten.
»Was ist passiert?« rief Victor und beugte sich über sie.
»Mutter? Kannst du mich hören?«
»Weg da!« keifte Ada zornig, die den Alkohol in seinem Atem riechen konnte. Anscheinend hatte sie ihre Freundin in einem Irrenhaus abgeliefert. Und der putzmuntere Teddy sah mit großen Augen zu, wie sich alle um seine Oma bemühten.
Charlotte hatte eine stark blutende Platzwunde an der Stirn, die Ada nun mit einem Lappen betupfte, während sie beruhigend auf sie einredete. Gleichzeitig winkte sie die anderen beiseite, damit ihre Freundin Luft zum Atmen hatte. Sie knöpfte Charlottes Kragen auf und wisperte dann streng:
»Holt einen Arzt, sie hat sich den Arm gebrochen.«
»Ist sie tot?« fragte Teddy. Seine Mutter brachte ihn flugs zum Schweigen, doch die Stimme hatte seine Großmutter geweckt. Sie öffnete langsam die Augen. »Ist das Teddy? Ada, war das Teddy?«
»Ja, Liebes. Ihm geht es gut. Er ist hier im Zimmer. Aber du mußt jetzt ganz ruhig liegen. Wir machen es dir gleich bequemer.«
Sie wies die Männer aus dem Raum und untersuchte die Patientin mit geschickten Händen. »Sonst scheint nichts gebrochen zu sein, Gott sei Dank. Hannah, hol mir Mull und eine Leinenbinde für die Wunde. Ich fürchte, sie muß genäht werden, aber fürs erste reicht es.«
Hannah eilte davon.
Besorgt beugte sich Louisa über ihre Schwiegermutter, doch Ada ging dazwischen. »Sie braucht keinen Schnapsatem im Gesicht.«
Louisa war zu schockiert und eingeschüchtert, um zu erklären, daß sie nur einen kleinen Gin vor dem Essen genommen hatte, den Charlotte im übrigen ebenfalls zu schätzen wußte. Sie zuckte zurück und rannte zu Victor, der sie in die Arme nahm.
»Keine Sorge, Liebes, Harry holt einen Arzt. Ihr geht es bald wieder besser.«
Doch was würde danach kommen? fragte sich Louisa. Charlotte war wieder zu Hause und hatte zudem diese furchtbare Frau mitgebracht. Die Freude über Teddys Heimkehr war plötzlich verflogen. Sie hatte Kopfschmerzen.
Der alte Jock schien nicht zu bemerken, daß Rupe es mit der Rückkehr alles andere als eilig hatte. Bei ihm durfte jeder Gast so lange bleiben, wie er wollte, Hauptsache, er konnte sich mit ihm fachmännisch über Pferde unterhalten und ihm seine preisgekrönten Tiere in allen Gangarten vorführen. Rupe nutzte seine Erfahrung auf diesen Gebieten, um Zeit zu gewinnen. Es fiel ihm nicht schwer, die herrlichen Pferde und ihre luxuriösen Stallungen zu loben, um die Jock allgemein beneidet wurde. Rupe hatte schon oft versucht, Victor zu überreden, sich mehr auf ihre Vollblüter zu konzentrieren, doch sein Bruder dachte leider sehr eingleisig. Sicher, ihre Merinos waren berühmt, doch es gab einfach nichts Erhabeneres als Pferde. Er rang Jock sogar die Erlaubnis ab, auf einem prächtigen, schwarzen Araber namens Dynamite um die Bahn zu reiten. Durch den kraftvollen Ritt aufgeheitert, sprang er übermütig aus dem Sattel und klopfte Jock auf die Schulter.
»Was für ein Tier! Ein Geschenk der Götter. Wer wäre nicht stolz auf diesen Champion?«
All das hatte ihm Zeit verschafft, zu einer Entscheidung zu gelangen. Die Lösung war einfach. Victor würde eine Weile brauchen, bis er über diese Beinahe-Katastrophe hinweg wäre, und eben dies bot ihm eine Entschuldigung, Springfield den Rücken zu kehren.
Während die Stallknechte die Pferde für die Nacht vorbereiteten, teilten er und Jock sich eine Flasche Bier.
Er legte sich in Gedanken zurecht, was er Victor sagen wollte. »Es ist offensichtlich, daß du mich nicht hierhaben willst, also werde ich gehen. Ich komme mir ohnehin vor wie das fünfte Rad am Wagen. Außerdem weißt du keine meiner Ideen zu würdigen, doch das nur am Rande. Ich bleibe nicht hier und lasse mich wie ein Aussätziger behandeln, nur weil ich zufällig Cleo – wohlgemerkt nur sie, und nicht Teddy – eingeladen habe, sich mit mir zusammen die Vögel anzusehen.
Ich weiß noch nicht, wohin ich gehe« – in Wahrheit spielte er mit dem Gedanken an eine Europareise –
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