Sterne im Sand
nachdenklich daran. Sie wollte ihrem Vater nicht antworten, bevor sie sich die Sache nicht gründlich überlegt hatte. Die Gesellschaft ihrer Nichte und deren Mannes hatte ihr gefallen, doch es gab noch andere Erwägungen.
»Ich denke darüber nach, Pa, aber nur unter einer Bedingung. Ich will ein hieb- und stichfestes Testament. Du hinterläßt mir diesen Besitz mit allem, was dazugehört. Ich will nicht, daß es mir einmal so ergeht wie Charlotte.«
»Eigentlich sollte er zwischen dir und deinem Bruder aufgeteilt werden.«
»Er hat schon genug bekommen. Du hast ihm sein Leben lang Geld zugeschoben. Der Richter ist gut gestellt, um ihn brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Außerdem hat er hier nie einen Finger gerührt und bekommt dennoch immer seinen Anteil von den Wollerlösen. Ich habe mich nie daran gestört, schließlich ist es dein Geld, aber du wirst die Farm ins Chaos stürzen, wenn du ihm die Hälfte vermachst. Er wird seinen Anteil zu Geld machen wollen und auf einen Verkauf drängen.«
Ada bemerkte, daß Jock an seinem unordentlich buschigen, weißen Bart zupfte; er war guter Stimmung. Sie hatte schon lange mit ihm über dieses Thema sprechen wollen und nur auf die richtige Gelegenheit gewartet. Nun war sie endlich da.
»Ich sage dir was. Ich setze ein neues Testament auf und hinterlasse dir die gesamte Farm. Es wird auch die Bestimmung enthalten, daß nach deinem Tod alles auf meine Enkelin Connie Broderick und ihren Ehemann übergeht.«
Seine schlauen Augen glitzerten, und sie ahnte, daß er etwas im Schilde führte, stimmte aber dennoch zu.
»Das ist fair, da wird sich nicht einmal der Richter beklagen können. Seine Familie wird davon profitieren, da ich wohl kaum noch Nachkommen hervorbringen werde. Ja, so werden wir es machen. Vielen Dank, Pa, ich danke dir sehr.«
»Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß ich Harry Broderick als Verwalter haben will. Was hältst du davon?«
Sie lachte. »Man sollte nicht über ungelegte Eier sprechen.
Er hat bereits eine Stelle und scheint auf Tirrabee sehr glücklich zu sein. Andererseits, fragen kostet nichts.«
Traurig wurde ihr plötzlich bewußt, daß sie Harry nun früher als erwartet wiedersehen würde – auf Teddys Beerdigung.
Als sich Jock schließlich an den Namen von Charlottes Hotel in Toowoomba erinnerte, spürte Harry eine ungeheure Erleichterung. Er wäre sonst längst schon aufgebrochen, wartete nur noch die Ankunft seiner Mutter ab. Man hatte einen Reiter losgeschickt, der ihr die gute Neuigkeit telegrafieren sollte, doch als er in Cobbside eintraf, war das Postamt aus Umzugsgründen geschlossen. Als die Nachricht am nächsten Tag im Hotel Victoria ankam, waren die Frauen bereits aufgebrochen. Sie übernachteten auf demselben Besitz, auf dem Ada ihre Pferde gewechselt hatte, damit sie sie wieder in Empfang nehmen konnte, fuhren aber an Cobbside vorbei. So verpaßten sie die letzte Gelegenheit, von Teddys Rettung zu erfahren.
Als die Kutsche durch das Tal rollte, verließ Ada der Mut. Sie fürchtete sich vor der Begegnung mit Teddys Eltern und fragte sich, wie um alles in der Welt sie ihnen Trost spenden sollte. Das würde noch schlimmer sein als mit Charlottes Schmerz umzugehen. Sie bemerkte, wie ihre Freundin tiefer in den Sitz sank, als der Kutscher in die breite Auffahrt einbog, und ergriff zur Ermutigung ihre Hand.
Da sich der Kutscher des traurigen Anlasses bewußt war, fuhr er ganz langsam durch den kreisförmigen Garten zum Haupteingang von Springfield vor. Ada fiel auf, daß Charlottes Garten, der einmal alle Augen auf sich gezogen hatte, noch schlimmer aussah als bei ihrem letzten Besuch. Doch ihre Freundin achtete jetzt nicht auf derartige Banalitäten. Ihre Tränen flossen von neuem, sie rang verzweifelt um Fassung und kramte in ihrer Handtasche nach einem Taschentuch.
Charlie öffnete den Verschlag der Kutsche und half ihnen beim Aussteigen. Die beiden Frauen rafften ihre Röcke und stiegen die Stufen vor der Haustür hinauf, als diese aufflog und Teddy herausstürzte. »Oma! Oma ist da!«
Charlotte starrte ihn ungläubig an und kippte dann bewußtlos um. Bevor Ada oder Charlie sie auffangen konnten, stürzte sie rückwärts die ganze Treppe hinunter, und die beiden hörten ein häßliches Knacken.
Adas Schreie alarmierten die Familie, die sich gerade zum Essen an den Tisch setzen wollte.
Charlotte lag reglos unten vor den Stufen, und Ada bemühte sich verzweifelt, sie aufzuheben.
Victor und Louisa
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