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Sterne im Sand

Sterne im Sand

Titel: Sterne im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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Wohltätigkeitsdamen, den Kopf zur Tür herein.
    »War das nicht eben Harry Broderick?« fragte sie neugierig.
    »Ja.«
    »Na so etwas!« Sie lächelte erwartungsvoll, auf eine neue Klatschgeschichte spekulierend. »Er ist also wieder in der Stadt. Hat er seine Frau mitgebracht?«
    »Das kann ich Ihnen nicht sagen.« Auch er war Gerüchten nicht ganz abgeneigt. »Wer ist er eigentlich?«
    »Mein Gott, das war vielleicht ein Skandal!« Eifrig weihte sie ihn in ihre Version der Geschichte ein. Erstaunt erfuhr der Direktor, daß dieser Bursche in seinem eigenen Haus mit einem Gewehr herumgeschossen hatte.
    »Er machte aber einen sehr netten Eindruck.«
    »Es heißt ja auch, er sei dazu getrieben worden. Seine Frau, Sie wissen schon. Ein anderer Herr wurde gesehen, als er das Haus verließ, wenn Sie verstehen, was ich meine. Und dann gab es noch irgendeinen Aufruhr im Parlament. Danach hat er seinen Sitz abgegeben.«
    »Er war Abgeordneter?«
    »Oh ja. Ist noch gar nicht so lange her. Was wollte er denn hier?«
    Der Direktor stellte die Register zurück in den hohen Aktenschrank. »Er sucht nach drei kleinen schwarzen Kindern. Ich sagte ihm, daß wir keine Waisen aufnehmen, konnte ihn aber nicht so recht überzeugen. Wir sind sogar die alten Register durchgegangen …«
    »Aber sie waren doch hier.«
    »Was? Wie kann das sein?«
    »Jemand hat sie vor dem Tor abgesetzt. Die Aufseherin war zu gutherzig, um sie abzuweisen, und hat versucht, sie irgendwo unterzubringen.«
    Der Direktor stellte das letzte Register zurück. »Ich lasse sie sofort kommen.«
    »Nein, nicht diese Frau. Ich meine die nette Aufseherin, die in den Ruhestand ging, bevor Sie kamen.« Sie grinste. »Natürlich stehen sie nicht im Register, es war ja gegen die Regeln. Aber sie wird wissen, was aus ihnen geworden ist. Einen Moment mal … eine unserer Damen hat einen der Jungen bei sich aufgenommen. Lassen Sie mich mal nachdenken. Es war eine törichte Frau, eine Dilettantin, wie wir sie zu nennen pflegen. Sie hat ein paarmal geholfen und hat sich dann nie wieder blicken lassen. Hoffnungslos, hatte noch nie im Leben einen Putzlappen in der Hand gehalten.«
    Er hörte aufmerksam zu. »Das muß ich Mr. Broderick erzählen. Wissen Sie zufällig, wo er wohnt?«
    »Nein, aber das kann ich herausfinden. Überlassen Sie es ruhig mir.« Mrs. Collins hatte nicht die Absicht, sich diese faszinierende Geschichte entgehen zu lassen. Weshalb machte Harry Broderick soviel Aufhebens um drei schwarze Kinder? Was hatte er nun schon wieder vor?
    Sie verließ das Büro, band die schwarze Schürze fest, rollte die Ärmel hoch und machte sich auf den Weg zur Küche. Charmaine Collins würde ihre Pflichten gegenüber den Armen nicht vernachlässigen. Harry Broderick mußte sich eben noch ein Weilchen gedulden. Während der Arbeit erkundigte sie sich bei den Damen, die ihr in der primitiven, dampfenden Küche als Spülhilfen zur Hand gingen, nach der Frau, die einen der Jungen aufgenommen hatte. Mrs. Smith, das war es, Mrs. Adam Smith. Die Frau irgendeines Beamten.

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    14. Kapitel
    Zunächst schenkten Victor und Louisa Rupe keinerlei Beachtung. Es war, als sei er überhaupt nicht vorhanden. Er gab vor, es nicht zu bemerken, und aß unter Hannahs mißbilligenden Blicken in der Küche, wann es ihm gerade einfiel. So unpassend die Stunde auch sein mochte, sie konnte sich schlecht weigern, einem der Bosse etwas vorzusetzen. Rupe und seine Familie begegneten einander zwangsläufig auf den Fluren und draußen, doch sie wechselten kein Wort miteinander. Die Luft zwischen ihnen war eisig. Und genau so wollte er es auch haben, während er darauf wartete, daß Charlotte wieder herunterkam. Der gebrochene Arm würde sie nicht lange ans Bett fesseln, und der Schock würde bald verflogen sein angesichts der Freude über Teddys glückliche Rettung. Wenn er einen Blick in ihr Zimmer warf, fand er sie fast immer mit einem Märchenbuch vor, aus dem sie ihrem Enkel, der nun keine Gouvernante mehr hatte, vorlas.
    Mit einem Schaudern verdrängte er den Gedanken an Cleo.
    Obgleich sich der körperliche Schock über ihren Sturz inzwischen gelegt hatte, wußte Rupe, daß Charlotte noch immer wütend war. Er hatte sich ihre Klagen über den Zustand des Hauses und des Gartens angehört und mürrisch genickt, als stimme er in allem mit ihr überein. Er kannte seine Mutter; sobald er sich kritisch über Louisa äußerte, würde sie sich gegen ihn stellen. Charlotte steckte voller

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