Sterne im Sand
von ihm eine Flasche Whisky und eine Geldprämie; der alte Bursche, der zweiter geworden war, bekam ebenfalls eine Flasche. Die Ballkönigin, ein hübsches Mädchen aus Toowoomba, wurde mit einer Blumengirlande und einer großen Schachtel Pralinen bedacht. Als der Tanz weiterging, suchte Austin erneut nach der Quelle seiner Unruhe.
Dann traf ihn die Erkenntnis wie ein Schlag. Er wandte sich an Charlotte, die neben ihm saß. In diesem Moment trat jedoch der alte Jock Walker, Connies Großvater, zu ihnen. Er war ein exzentrischer Gauner, dem man nicht über den Weg trauen konnte, aber Austin mochte ihn. Er mußte mindestens achtzig sein und bestand noch immer auf seinem verblichenen Kilt und den abgetragenen Schnallenschuhen.
Er füllte sein Whiskyglas aus Austins Karaffe und goß seinem Gastgeber auf dessen Wink hin ebenfalls nach.
»Tolle Party, Charlotte«, bemerkte er grinsend. »Hast dich wieder einmal selbst übertroffen, meine Liebe.«
»Vielen Dank, Jock. Freut mich, daß du dich gut amüsierst.«
»Das tue ich doch immer, Mylady. Leider bricht es einem echten Schotten wie mir das Herz, wenn er zu alt für all diese hübschen Mädchen wird.«
Austin stieß einen kurzen Lacher aus. »Du hast Schottland nicht mal von weitem gesehen.«
Diese Neckereien besaßen inzwischen Tradition zwischen ihnen, und Jock verstand ihn sofort, obwohl Austin die Worte nicht deutlich artikulieren konnte.
»Ich kann dir versichern, ich habe die alte Heimat erst mit zwanzig Jahren verlassen«, widersprach Jock. »Auf einem prächtigen Segler.«
»Wohl eher in Ketten.«
Ohne darauf einzugehen, sah Jock zu Charlotte hin. »Würdest du ein Tänzchen mit mir wagen?«
»Vielen Dank, aber ich glaube nicht …«
Amüsiert drängte ihr Mann: »Na los, geh schon.« Charlotte war eine schlechte Tänzerin, und Jock galt als Berserker der Tanzfläche; sie würden ein interessantes Paar abgeben.
»Hocherfreut!« sagte Jock und ergriff ihre Hand. Austin sah sich nach Victor und Rupe um, konnte sie in der Menge aber nicht entdecken. Dann betrachtete er prüfend die Türen des Wollschuppens, die mit Bändern und Girlanden aus Gummibaumblättern geschmückt waren. Normalerweise drängten sich dort die Schwarzen aus dem Lager, die sich das Fest nie entgehen ließen, doch heute abend war nicht einer von ihnen zu sehen.
Austin war beunruhigt. Erst jetzt fiel ihm auf, daß er auch beim Barbecue keinen Aborigine gesehen hatte. Da die Schwarzen von Springfield, die nicht auf der Farm wohnten und arbeiteten, noch im Stammesverband lebten, wurden sie zwar nicht offiziell eingeladen, tauchten aber stets im Hintergrund auf. Nach dem Essen wurden die Reste, sogar die verkohlten Rindsknochen, zu einem abseits stehenden Tisch gebracht, an dem sich die Schwarzen daran gütlich tun konnten. Meist blieb mehr als genug für sie übrig, da Austin die Aborigines von Beginn an als Esser einplante.
Sie fanden das große Fest ebenso aufregend wie alle anderen, doch heute abend hatten sie sich nicht eingefunden. Ob bei ihnen vielleicht jemand gestorben war? Die aufwendigen Trauerrituale wären durchaus ein Grund für ihr Fernbleiben. Schließlich entdeckte er Victor und winkte ihn zu sich.
»Wo sind die Schwarzen?«
Victor antwortete mit einem Achselzucken. Offensichtlich hatte auch er ihre Abwesenheit bemerkt, wollte seinen Vater jedoch nicht beunruhigen.
»Wo stecken sie?«
»Ich weiß es nicht.«
»Was geht hier vor?« Wenn er wütend war, fiel ihm das Sprechen noch schwerer. »Finde es gefälligst heraus!«
»Ich sehe morgen nach ihnen.«
»Sofort!« forderte Austin. Dann erspähte er auf der Tanzfläche Spinner, den Mischling, der bei ihnen als Viehhüter arbeitete. Normalerweise hätte er lächelnd zugesehen, wie sich der junge Mann in Sonntagskleidern und glänzend polierten Stiefeln beim Tanz versuchte. Er zählte lautlos die Schritte mit, die ihm irgend jemand mühsam beigebracht haben mußte, und sah nicht die Damen, sondern seine Füße an. Diesmal schickte Austin jedoch Victor sofort zu ihm. Der Junge wirkte nicht allzu traurig über diese Unterbrechung seiner tänzerischen Bemühungen. Austin sprach jedes Wort langsam und sorgfältig aus. »Wo ist die ganze Horde? Was ist los?«
Spinner tat es weh, seinen geliebten Boß so zu sehen, und ein betrübter Ausdruck trat in seine dunklen Augen. Zudem war er verärgert, weil die ganze Horde verschwunden war, ohne ihm etwas zu sagen. Andererseits freute es ihn, da sie ihm mit ihrem heimlichen
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