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Sterne im Sand

Sterne im Sand

Titel: Sterne im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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Verschwinden zu verstehen gegeben hatten, daß er für sie eindeutig zu den Weißen gehörte.
    Doch er konnte dem Boß gegenüber nicht zugeben, daß er keine Ahnung von ihrem Verbleib hatte. Er war am späten Nachmittag ins Lager gegangen, um seine neuen Kleider vorzuführen, die er beim Tanz der Weißen tragen wollte, doch zu seiner Verwunderung hatte er den Ort verlassen vorgefunden. Die Feuer waren erloschen, die Hütten standen leer, nicht einmal ein Kochtopf war übriggeblieben. Das Lager war in geisterhafte Stille getaucht, als habe jemand seine Bewohner weggezaubert. Spinner erschauderte, als er bemerkte, daß der einzige wertvolle Besitz des Stammes fehlte: der hohe, geschnitzte Totempfahl, der Aufschluß gab über ihren besonderen Platz in der Traumzeit. Noch niemals hatten sie ihn von seinem Platz entfernt. Angeblich hatte das Totem die Emu-Leute-am-Fluß seit Anbeginn der Zeit beschützt. Nun war es verschwunden.
    Spinner war verängstigt davongelaufen.
    »Der Boß hat dich etwas gefragt«, drängte ihn Victor.
    »Ach ja, sind auf Wanderschaft gegangen, Boß.«
    »Alle?« fragte Victor ungläubig. »Das ist aber ungewöhnlich. Warum sind sie denn alle gleichzeitig gegangen?«
    Spinner suchte nach einer plausiblen Erklärung. »Sie mußten alle gehen, Boß. Totemzeit. Das große Totem mußte zu heiligen Orten gehen, um mit Geistern zu reden.« Er sah, daß sie über den Totempfahl Bescheid wußten, und improvisierte weiter. »Altes, altes Gesetz aus Traumzeit. Alte Männer müssen reden, junge Männer machen besondere Zeremonie mit. Großes Korrobori weit draußen im Busch.« Er grinste. »Ich wette, sind wirklich sauer, weil sie Fest verpassen. Müssen aber Wanderung machen, weil sonst böse Geister kommen.«
    »Wohin sind sie denn gegangen?« erkundigte sich Victor.
    »Wo findet dieses große Korrobori statt?«
    Spinner gab sich betont gleichgültig. »Im Busch. Langer Weg, glaube ich. Kommen dann zurück. Sind bestimmt für nächstes Fest wieder da«, erklärte er grinsend.
    »Vielen Dank«, sagte Victor höflich. Der Junge war in Gnaden entlassen.
    »Ich will verdammt sein«, murmelte Austin vor sich hin. »So etwas habe ich ja noch nie gehört.«
    »Sie gehen oft auf Wanderschaft.«
    »Gewöhnlich bleiben aber Wachen im Lager zurück, damit die bösen Geister es nicht heimsuchen. Und diesen Totempfahl haben sie noch nie von der Stelle bewegt.«
    Austin bemerkte, daß er unverständlich vor sich hin gebrabbelt hatte. Er verbarg sein Unbehagen, indem er Victor wegschickte und seine Frau beobachtete, die sich mit Jocks phantasievollen Hopsereien abmühte.
    Als sie wiederkam, sagte Austin zu ihr: »Wo ist Black Lily? Ich habe sie heute noch nicht gesehen.«
    »Ich weiß es nicht. Sie ist nicht zum Fest erschienen.«
    »Hausmädchen auch nicht?« fragte er knapp.
    Charlotte seufzte. »Ich wollte dich nicht beunruhigen. Die Schwarzen haben das Lager verlegt, und die dummen Mädchen sind mitgegangen. Ausgerechnet heute. Die können morgen was erleben, das sage ich dir! Wir kommen zwar ohne Black Lily zurecht, wo so viele starke Männer im Haus sind, doch die Hausmädchen sind eigentlich unentbehrlich. Im Grunde sollte ich alle drei entlassen. Louisa war so nett, der Köchin zur Hand zu gehen. Sie hat wirklich schwer geschuftet. Auch die Damen haben mit angepackt und ihre Zimmer selbst aufgeräumt, aber es war doch alles sehr lästig.«
    Austin seufzte. Das Lager verlegt? Wohin? Er war eher geneigt, Spinners Erklärung zu glauben. Die Horde war auf Wanderschaft gegangen. Morgen würde er Rupe losschicken, um das Lager in Augenschein zu nehmen. Nur schade, daß sie gerade jetzt aufgebrochen waren und dem Fest damit etwas von seinem Glanz genommen hatten. Er sah es gern, wenn sie lachten und sich über die feiernden Weißen lustig machten.
    Jock kam wieder, angelockt vom schottischen Whisky. Er schenkte sich nach und beugte sich dann verschwörerisch zu Austin hinunter. »Ich gebe dir einen guten Rat, Kumpel. Ich habe schon viele Schlaganfälle erlebt. Das beste ist, du übst vor einem Spiegel sprechen.« Er lachte glucksend. »Laß dich aber nicht dabei erwischen, sonst halten sie dich für eitel.«
    Er richtete sich auf und ließ den Blick durch den Raum schweifen. Die Musiker griffen gerade wieder zu ihren Instrumenten. »Meinst du, ich sollte mich mal der Ballkönigin erbarmen und ihr ein Tänzchen schenken?«
    »Klar.« Austin lachte und drängte ihn zur Eile. Dann lehnte er sich zurück. Vielleicht sollte

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