Sterne im Sand
ihr ein wenig Geld gegeben, mit dem sie bis zu Harrys Rückkehr auskommen mußte. Sie hatte damit die dringendsten Rechnungen beglichen, den Rest würde der Lohn der Dienstboten verschlingen.
Und was dann, fragte sie sich besorgt.
Sie entschied, daß sie sich die beiden Frauen nicht länger leisten konnte. Sie würde sie ausbezahlen und wegschicken. Neue Dienstboten ließen sich bei Bedarf immer wieder finden.
Vom Dienstmädchen – von wem auch sonst, so neugierig wie die war! – hatte Connie erfahren, daß Harry sein Pferd aus dem Stall geholt hatte. Vermutlich war er damit nach Springfield geritten, denn in Brisbane hatte ihn niemand gesehen. Diese Ratte, dieser erbärmliche Feigling! Im Geiste belegte sie ihren Mann mit jedem Schimpfwort, das ihr in den Sinn kam. Gegen die Schimpfkanonade, die ihr wutentbrannter Vater losgelassen hatte, als er hörte, daß Harry verschwunden war, nahm sich ihre eigene Tirade jedoch eher harmlos aus.
Connie schluchzte. Harry hatte sie verlassen, doch ihrem Vater ging es ausschließlich um eine verpaßte Parlamentssitzung. Zornig hatte der Richter in der Zeitung die Abstimmungsliste überflogen, in der Harry keine Erwähnung fand. Laut dieser Meldung waren mehrere Mitglieder aus Krankheitsgründen der entscheidenden Abstimmung ferngeblieben, doch Harry hatte keine solche Entschuldigung eingereicht.
»Dieser verfluchte Narr«, hatte der Richter gedonnert und die Seite herausgerissen. »Das schicke ich Austin Broderick, mit einem passenden Brief dazu. Wenn sein Sohn schon seinen parlamentarischen Pflichten nicht nachkommt, sollte er wenigstens seinen häuslichen Pflichten gerecht werden!«
Connie war froh darüber, denn sie konnte sich ausrechnen, daß Austin ebenso wütend reagieren würde wie ihr Vater und ihn umgehend nach Hause zurückschicken würde – hoffentlich mit ein bißchen Geld in der Tasche.
Dabei fielen Connie ihre eigenen Geldprobleme wieder ein. Wenn sie die Dienstboten ausbezahlt hatte, saß sie auf dem Trockenen und mußte sich wohl oder übel noch mehr Geld von ihren Eltern borgen. Schließlich war das alles ja nicht ihre Schuld – in diesem Glauben ließ sie sie jedenfalls.
Harry war deprimiert, mehr noch: am Boden zerstört. Am ersten Abend hatte er sich mit Rum die nötige Bettschwere angetrunken, an den folgenden Tagen beruhigten ihn die friedliche Umgebung und die erfolgreichen Angelversuche. Eine Zeitlang konnte er die Sorgen verdrängen, indem er sich ganz auf seinen geliebten Zufluchtsort konzentrierte. Er schwamm im klaren, prickelnden Wasser, sonnte sich nackt am sandigen Ufer und kehrte nach langen Streifzügen durch den Busch ans Lagerfeuer zurück. Nach einer Weile mußte er jedoch einsehen, daß er sich etwas vormachte, wenn er glaubte, der Realität auf Dauer entfliehen zu können.
Allmählich kehrten die Sorgen nämlich zurück, so sehr er auch dagegen ankämpfte. Er schmiedete wilde Zufluchtspläne: Er würde sich an Sam Ritter und seiner Frau, der Hure, rächen. Ein Darlehen aufnehmen oder, besser noch, von Austin eine vorzeitige Auszahlung seines Erbteils verlangen. Warum sollte er warten, bis sein Vater starb? Er würde nach seinem eigenen Willen abstimmen; er war es leid, immer auf andere zu hören. Und er würde in Goldminen investieren, etwas Besseres gab es zur Zeit nicht … Er fand Gefallen an diesen hochfliegenden Spinnereien und trank sich mit Hilfe von Rum in einen Erregungszustand hinein.
Die Reue folgte am nächsten Morgen auf dem Fuß. Harry spürte eine nagende Unruhe in sich. Er nahm ein erfrischendes Bad im Fluß, um einen klaren Kopf zu bekommen, und dabei traf ihn die Erkenntnis wie ein Schlag.
Welcher Tag war heute? Mit einiger Mühe kam er zu dem Schluß, daß Donnerstag sein müsse. »Oh, Jesus!« rief er. »Das Parlament tagt schon seit drei Tagen. Oh, Gott, wie konnte mir das nur passieren?«
Verzweifelt stolperte er ans Ufer, packte hastig seine Sachen zusammen und ließ sich dann mit einer Tasse Tee auf einen Stuhl fallen.
»Jetzt stecke ich wirklich in der Klemme. Wahrscheinlich wird man mich aus der Partei ausschließen.« Er fragte sich, ob das Landgesetz auf der Tagesordnung gestanden hatte oder sogar zur Abstimmung vorgelegt worden war.
»Wenn ja, dann habe ich es mir jetzt endgültig mit allen verdorben.«
Anscheinend hatte sich die ganze Welt gegen ihn verschworen. Harry ließ den Kopf hängen. »Was nun?« fragte er sich ratlos.
Ein Kookaburra antwortete ihm mit seinem lauten,
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