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Sterne ohne Namen

Sterne ohne Namen

Titel: Sterne ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andre Norton
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so viele angeborene Vorurteile zur Seite schieben mußte, um ihn aufzunehmen. Wir verbrannten uns so lange die Finger, bis die Lektion endlich saß.
    Ich verschloß so gut wie möglich alle anderen Gedanken und vergaß alles Unangenehme. Die Narbe – nur das durfte jetzt in meinem Gehirn sein. Ich sah mein Spiegelbild an und stellte mir die Narbe vor.
    Vielleicht hatte Eet wirklich recht, als er sagte, wir Menschen terranischer Herkunft nützten unsere geistigen Kräfte nicht voll aus. Seit ich den kleinen Mutanten kannte, hatte ich diese Kräfte immer wieder angezapft und Resultate erzielt, die niemand meiner Rasse glauben konnte. Und nun geschah etwas, das mich verblüffte. Es war, als hätte sich ein Finger auf eine Taste in meinem Gehirn gelegt und sie fest heruntergedrückt. Ich konnte geradezu die Vibration spüren, die als Antwort darauf meinen Körper durchlief, und zugleich kam das feste, unerschütterliche Vertrauen, daß ich es schaffen würde.
    Aber das Gesicht im Spiegel – ja! Ja, ich hatte diese entstellende Narbe, nicht entzündet und frisch, sondern dunkel und verschrumpelt, als sei sie nicht früh genug mit Heilstoffen behandelt worden oder als hätte sie ein Pfuscher kuriert. Und so etwas konnte einem gestrandeten Raumfahrer oder einem Piraten leicht zustoßen.
    So echt! Ich hob die Hand und strich über meine Wange. Bei Eet war die Illusion sowohl für das Auge als auch für die Berührung echt gewesen. Aber ich konnte keine Narbe spüren. Ich war Eet eben noch nicht ebenbürtig.
    »Ein Anfang, ein vielversprechender Anfang …«
    Ich zuckte zusammen, aus meinen Gedanken gerissen. Eet saß auf dem Bett, die starren Pookha-Augen auf mich gerichtet. Ich befürchtete eine Unterbrechung meiner Konzentration und warf einen schnellen Blick in den Spiegel. Doch die Narbe war noch da. Nicht nur das – ich hatte die richtige Tarnung gewählt. Sie zog die Aufmerksamkeit auf sich, und der Rest des Gesichtes blieb im Schatten.
    »Wie lange wird sie halten?« Wenn ich mich ins Freie wagte, fand ich bestimmt keinen ruhigen Fleck, um mich von neuem konzentrieren zu können.
    Eet neigte den runden Kopf ein wenig zur Seite und schien mein Werk kritisch zu betrachten.
    »Es ist keine starke Veränderung. Du hast recht, daß du mit kleinen Dingen beginnst«, meinte er. »Mit meiner Hilfe wird sie heute wahrscheinlich durchhalten. Und mehr brauchen wir nicht. Allerdings werde ich mich verändern müssen …«
    »Du? Weshalb?«
    »Mußt du deinen Unverstand so deutlich zeigen?« Die Schnurrhaare auf seinem Kopf verschwanden bereits. »Wer würde einen Pookha mit ins Hafenviertel nehmen?«
    Er hatte recht wie immer. Lebende Pookhas waren mehr wert als ihr Gewicht in Credits. Wenn man so ein Tierchen mit ins Hafenviertel nahm, mußte man mit einem Laserstrahl rechnen. Und Eet würde in der nächsten Reisetasche verschwinden und bei einem Hehler landen. Ich war wütend über meine Dummheit, aber dann tröstete ich mich damit, daß ich meine ganze Konzentration zur Aufrechterhaltung der Illusion brauchte.
    »Nicht die ganze«, widersprach Eet. »Du mußt noch so viel lernen.«
    Eet veränderte sich vor meinen Augen. Der Pookha verschwand. Eets Gestalt war jetzt verschwommen und flimmernd wie zuvor die meine.
    »Ich darf nicht zulassen, daß man mich zu lange ansieht«, erklärte er. »Die Dunkelheit wird mich dabei unterstützen. Wir gehen direkt zum Schwimmenden Lokwurm … «
    »Weshalb?«
    Ein Mensch hätte jetzt ungeduldig geseufzt. Die Gedanken, die mein Begleiter ausstrahlte, drückten das gleiche aus.
    »Vielleicht hält sich im Schwimmenden Lokwurm unser Pilot auf. Und frage mich nicht, woher ich das weiß. Es stimmt jedenfalls.«
    Wieviel Eet von benachbarten Gehirnen aufnehmen kann, weiß ich nicht. Aber seine Ruhe überzeugte mich davon, daß er einer konkreten Spur folgte. Und ich mußte mich ihm fügen, da ich keinen gleichwertigen Vorschlag vorzuweisen hatte.
    Er sprang auf meine Schulter und kuschelte sich wie eine Pelzrolle um meinen Hals. Ich warf einen letzten Blick in den Spiegel, um mich zu vergewissern, daß die Narbe noch da war, und spürte einen kleinen Triumph, als ich sie entdeckte.
    So vorbereitet, verließen wir das Hotel und begaben uns auf die Kriechspur in Richtung Hafen. Wir sahen uns aufmerksam um, bereit, an der nächstbesten Ecke abzuspringen, wenn wir das Schild der Schenke erblickten. Die Abenddämmerung war hereingebrochen, und Wolken segelten über den dunkelgrünen Himmel.

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