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Sterne über Cornwall: Roman (German Edition)

Sterne über Cornwall: Roman (German Edition)

Titel: Sterne über Cornwall: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Fenwick
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sich lieber nicht vor, was hätte passieren können. Wieder einmal hatte sie versagt.
    Es war halb zehn, und sie wollte Hannah zum Arzt bringen. Mark hatte ihr geraten, Hannahs Knöchel noch einmal untersuchen zu lassen, sobald die Schwellung ein wenig abgeklungen sei, um sicher zu sein, dass es sich um eine Verstauchung und nicht um einen Bruch handelte. Zum Glück hatte der Arzt im Segelklub zu Abend gegessen und sich um Hannah gekümmert.
    Maddie setzte sich auf die Bettkante. Sie sehnte sich danach, über Hannahs Haare zu streichen, die so sehr denen ihres Vaters ähnelten, versagte es sich aber. Sie hatte keine Ahnung, wie man mit einem Teenager umging. Wie hätte John in einer solchen Situation reagiert? Maddie hätte Hannah einerseits am liebsten erwürgt, weil sie so unvorsichtig gewesen war, und wollte sie andererseits vor Freude über ihre Rettung an sich drücken.
    Als Maddie eine Hand auf Hannahs Stirn legte, schlug diese die Augen auf. »Sorry.«
    Hannah schob die Hand weg.
    Maddie stand auf. »Ich muss dich zum Arzt bringen. Soll ich dir beim Anziehen helfen?«
    Hannah verdrehte die Augen.
    »Ruf einfach, wenn du es dir anders überlegen solltest.« Maddie verließ Hannahs Zimmer. Was sollte sie machen? Wie konnte sie alles wieder einrenken?
    Der Korb war voll mit Äpfeln. Maddie wusste nicht, was sie mit dem ganzen Obst anfangen sollte. Ihr Blick wanderte über den Obstgarten, der sich bis zu einer Senke erstreckte. Judith hatte sie besucht, sich den Garten und die Bäume angesehen und sie als früh tragende örtliche Sorten identifiziert. Und sie hatte Fotos gemacht, um sich weiter zu informieren.
    Die Äste der Apfelbäume waren mit Flechten bedeckt, die das graue Holz grün sprenkelten. Die Birnbäume trugen so viele unreife Früchte, dass sie fast bis zum Boden hingen. Maddie fragte sich, ob es lange genug warm bleiben würde, dass sie reiften. Es wäre Verschwendung, das Obst nicht zu verarbeiten, aber wie viel Marmelade, Apfelmus, Chutney und Ähnliches konnte sie einkochen? In den vergangenen Tagen war sie sich vorgekommen wie seinerzeit in der Schulküche; immerhin lenkte sie das von Hannah ab. Die redete nicht, jedenfalls nicht mit Maddie, und das konnte sie ihr nicht verdenken. Wenn Maddie sie nicht mit Abi hätte telefonieren hören, hätte sie gedacht, Hannah sei über Nacht stumm geworden.
    Mit vollem Korb machte sie sich auf den Weg zum Haus, das sich auf einer Art Plateau erhob, von dem aus die Felder nach unten steil abfielen und nach oben sanft anstiegen. Die Linien und Flächen der Gebäude weckten Ideen für ein neues Gemälde, aber Maddie wusste, dass sie den Einfall schon im Haus wieder vergessen hätte. Im Moment schien sie sich nicht konzentrieren zu können. Inspirationssplitter flackerten in ihrem Gehirn auf, während sie andere Dinge erledigte, doch bevor sie sie festhalten konnte, waren sie verschwunden. Es kam ihr vor, als wäre eine innere Verbindung in ihr gekappt. Sie konnte die Welt in ihre Sicht übertragen, aber damit war der kreative Prozess zu Ende. Die Verbindung zur Ausführung war durchtrennt oder ganz verschwunden.
    Wahrscheinlich grübelte sie zu viel. Sie sollte einfach nur malen, malen, malen. Doch bevor sie damit beginnen konnte, musste sie wissen, was sie mit dem Obst anfangen sollte. Sie stellte den Korb auf den Küchentisch.
    Ein Duft von Zimt und Nelken überdeckte ihre Sorgen. Überall standen kleine Gläser herum. Es wirkte sehr häuslich. Maddie musste lachen. Sie hatte sich nie als Hausfrau gesehen, immer nur als Künstlerin. Trotzdem machte ihr der Haushalt Freude.
    Sie verließ die Küche und bewunderte, was sie bisher geschafft hatte. Der Gilb war unter einer Schicht Farbe verschwunden, nachdem der Staubwedel sein Werk getan hatte. Maddie hatte manche der alten Fotos umgehängt, darunter auch das der Penventon-Frauen, und einige ihrer eigenen Werke daruntergemischt, die, obwohl modern, gut zu den alten Strukturen des Hauses passten. Es war, als würde man durch eine Galerie mit einer Retrospektive ihrer Arbeiten gehen. Das erinnerte sie daran, dass ihre Kreativität mit dem Tod von John versiegt zu sein schien.
    Der Schmerz nahm ihr Luft und Licht. Wie konnte sie immer noch trauern? Worum trauerte sie überhaupt: um ihn oder um das, was sie verloren hatte? Sie wusste es selbst nicht und wollte auch nicht weiter nachforschen, weil es zu sehr schmerzte. Der Mann, den sie auf ewig zu lieben geschworen hatte, war zu einer offenen Wunde geworden, die

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