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Sterne über Cornwall: Roman (German Edition)

Sterne über Cornwall: Roman (German Edition)

Titel: Sterne über Cornwall: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Fenwick
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über sie und ihr Leben. Vielleicht hatte sie ihre persönlichen Papiere im Büro aufbewahrt. Maddie ging jeden Tag mehrmals daran vorbei, ohne es zu betreten. Nun inspizierte sie es genauer. Dabei bemerkte sie zum ersten Mal die große alte Bibel auf dem Schreibtisch.
    Maddie zog sie näher heran. Das Leder war brüchig; sie hatte dicke und ein wenig gewellte Seiten, die sich sonst jedoch in gutem Zustand befanden. Als Maddie sie aufschlug, setzte ihr Herz einen Schlag aus. Das war die Familienbibel der Penventons, deren Stammbaum die ersten Seiten bedeckte. Ihre Hand zitterte, als ihr Blick über die kunstvolle Schrift wanderte.
    Die frühe Geschichte interessierte sie nicht. Sie wollte nur etwas über dieses und das vergangene Jahrhundert erfahren. Etwa auf halber Höhe der Seite fand Maddie das, wonach sie suchte: Daphnes Namen, daneben den von Diggory, ihrem Bruder. Dann nichts mehr.
    Hannah trocknete sich mit einem Taschentuch die Tränen ab. Sie würde nicht gerettet werden. Das Wasser umschloss sie bereits, sie war auf dem Felsen gefangen. Den Sand konnte sie schon lange nicht mehr sehen. Sie würde an einem Strand in Cornwall ertrinken. Und niemanden würde das kümmern, nicht einmal Maddie. Maddie würde wütend sein. Wütend auf sich selbst, weil sie aufgelegt hatte, das einzige Mal, dass Hannah sie um Hilfe gebeten hatte. Ich bin für dich da, wenn du mich brauchst. Von wegen. Das einzige Mal, dass Hannah wirklich Hilfe brauchte, war jetzt.
    Scheiße. Sie würde sterben. Wieder flossen die Tränen. Sie schloss die Augen und dachte an ihren Vater. Er war noch nicht lange tot, und nun würde sie in dem eisigen Wasser ertrinken. Schicksal? Was war mit ihrer leiblichen Mutter? Hannah schluckte. Der wäre das egal. Sie hatte Hannah ja schon vor Jahren im Stich gelassen.
    »Hör auf damit.« Hannah nahm die Flasche Wein aus dem Rucksack. Wenn sie schon sterben musste, konnte sie sich auch betrinken, weil sie es dann nicht mehr so mitbekam. Sie schüttelte den Kopf. Mit einer Flasche billigem Weißwein war Betrinken nicht möglich. Sie öffnete den Schraubverschluss und nahm einen großen Schluck. Ihren Würgereiz unterdrückend trank sie einen zweiten. Sollte sie versuchen, die Flasche in einem Zug zu leeren, damit sie in Ohnmacht fiel? Die Plörre schmeckte grässlich und war obendrein warm, anders als das Wasser unter ihr, das mittlerweile die halbe Höhe des Felsens erreicht hatte. Es wurde allmählich dunkel, das Licht erhellte nur noch die Hügel jenseits des Flusses. Warum war niemand auf dem Wasser?
    Ein kalter Ostwind blies in die Flussmündung und kräuselte das Wasser. Wellen schwappten in ihre kleine Bucht, ihre Bucht des Todes.
    Noch ein Schluck Wein, und die Flasche war halb leer. Ihre Ohren dröhnten. Sie warf einen Blick auf die Flasche: 13,5 Prozent Alkohol. Das Dröhnen wurde lauter, und plötzlich entdeckte sie ein kleines Boot neben einer Boje.
    Beim Versuch aufzustehen fiel sie in den Fluss. »Scheiße!« Sie schluckte Wasser, und ihre Glieder erstarrten. »Nein.« Mit letzter Kraft und schmerzenden Händen zog sie sich wieder den Felsen hoch.
    Als Hannah endlich aus dem Wasser heraus war, zitterte sie am ganzen Körper. »Hilfe!« Ihre Stimme war einfach nicht laut genug. Der Mann zog eine Reuse ins Boot. »Hilfe!«
    Hannah sah, wie er sich über den Motor beugte.
    Ihr Herz begann wie wild zu pochen. »Hallo!«
    Der Mann blieb mit dem Rücken zu ihr stehen. »Scheiße.« Sie holte tief Luft. »Hallo, Sie da drüben!«
    Der Mann ließ den Blick übers Wasser schweifen.
    Sie fuchtelte wild mit den Armen. »Hier! Hier!«
    Als er sich abwandte, sank Hannah in sich zusammen. Das Wasser hatte inzwischen fast den oberen Rand des Felsens erreicht. Tja, das war’s dann wohl, dachte sie.

5
    M addie schaute auf die Uhr. Es war dunkel und Hannah immer noch nicht zu Hause. Nervös auf der Lippe kauend nahm sie den Telefonhörer und wählte Hannahs Handynummer.
    Mailbox. Maddie wünschte sich schon zum x-ten Mal, dass John da wäre. Er hätte gewusst, was zu tun war, wie er mit ihr umgehen musste. Maddie rieb sich die Stirn. Sie durfte nicht vergessen, dass Hannahs Lage noch schlimmer war als ihre eigene.
    Als das Telefon klingelte, schrak Maddie hoch. »Hannah, wo bist du?«
    »Ich bin’s, Tamsin.«
    »Hi.« Maddie sank auf einen Stuhl.
    »Hannah ist nicht bei dir?«
    »Nein.«
    »Weißt du, wo sie steckt?«, erkundigte sich Tamsin.
    »Nein. Warum fragst du?«
    »Emma ist hier. Sie hat Hannah nicht

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