Sterne über Cornwall: Roman (German Edition)
mit einem kurzen Piepston den Geist auf. Der Akku war leer.
Hannah hob den Blick. Es war zu steil zum Klettern. Das Wasser hatte die Erde weggespült und einen Überhang entstehen lassen, der aussah, als könnte er jeden Augenblick abbrechen.
Auf dem Wasser glitzerte das Licht der Sonne, aber sie saß im Schatten. Sie hatte noch nie gut schwimmen können, und mit einem verstauchten Knöchel bestand überhaupt keine Hoffnung. Sie bekam einen trockenen Mund.
»Hannah?«, rief Maddie, als sie die Einkäufe ins Haus trug. Keine Antwort. Sie nahm das Telefon in die Hand und wählte Hannahs Nummer. Der Anruf landete auf ihrer Mailbox. Hannahs Anliegen konnte also nicht so dringend gewesen sein. Maddie räumte die Lebensmittel weg und breitete die Ergebnisse ihrer Nachforschungen auf dem Tisch aus. Daphne war am 24. März 1921 als Kind von Edward und Agnes Penventon in Trevenen zur Welt gekommen und auch hier gestorben.
Zu Maddies Überraschung hatte sie im Internet und in der Bibliothek Informationen über das Haus gefunden. Will hatte recht gehabt mit seiner Vermutung, dass es unter Denkmalschutz stand. Wie hatte sie das übersehen können? Das machte die Sache noch komplizierter, verschaffte ihr aber vielleicht die Möglichkeit, für die Reparatur des Dachs finanzielle Hilfe zu beantragen.
An dieser Stelle war seit dem Ende des zwölften Jahrhunderts eine Behausung dokumentiert. Das gegenwärtige Gebäude war im Jahr 1500 mit einem großen Raum im Erdgeschoss und zwei kleinen Räumen über der östlichen Hälfte begonnen worden. Wo sich nun das Esszimmer und die Diele befanden, sei um 1540 ein einstöckiger Anbau entstanden, hieß es in der Beschreibung der Denkmalschutzbehörde. Maddie sah sich in der Küche um und versuchte sich vorzustellen, wie es gewesen sein könnte, als die Hälfte des Raums noch zum Dach hin offen war.
Ende des achtzehnten Jahrhunderts hatte man die letzten großen Veränderungen in Form eines zweiten Stockwerks über dem Esszimmer und der Diele sowie eines Anbaus doppelter Höhe, jetzt Wohnzimmer und Maddies Zimmer, vorgenommen. Das Internet bezeichnete Trevenen als eines der schönsten Beispiele privater Architektur in Cornwall. Maddie ging in die Diele, um noch einmal das Foto von Daphne zu betrachten. Nun wurde ihr klar, dass eine der Frauen auf dem Bild Daphnes Mutter Agnes sein musste. Die dritte Frau, die etwa so groß wie die beiden war, hielt Maddie für die Schwester von Agnes. »Meine Lieben, was habt ihr mir da hinterlassen? Wie soll ich mich um dieses Haus kümmern? Daphne, wie hast du’s geschafft, es ganz allein instand zu halten?«
Maddie stieg die große Treppe zu dem Raum empor, den Daphne als Schlafzimmer genutzt haben musste. Sie hatte sich nicht für einen der größeren Räume des Hauses, sondern für den schlichtesten entschieden. Beim Saubermachen war Maddie ihre Kleidung und Papiere durchgegangen. In der Schublade des Nachtkästchens hatte sie ein zerlesenes Gebetbuch mit einer Widmung für Daphne gefunden, die das Buch zu ihrer Konfirmation im Mai 1936 bekommen hatte. Die Seiten waren nicht nur vom Alter, sondern auch vom vielen Umblättern gelb. Heraus fiel das verblichene Schwarzweißfoto eines jungen Mannes in Uniform. Als Maddie es umdrehte, las sie darauf in verblassten Bleistiftbuchstaben den Namen Arthur Tripconey. War er Daphnes große Liebe gewesen?
Maddie legte das Foto in das Buch zurück und berührte die Kleider, die sie auf dem Bett ausgebreitet hatte. Sie waren so alt, dass Maddie sie nicht einmal mehr als »Vintage« bezeichnet hätte. Daphne hatte praktische Kleider getragen und überhaupt nur zwei besessen. Wer war diese Frau gewesen?
Unten sah Maddie sich im Wohnzimmer um. Beim Anblick des Teppichs wurde ihr fast übel. Als sie ihn an einer Ecke beim Kamin anhob, um den Boden darunter zu begutachten, fiel ihr Blick auf wunderschönes Parkett, das allerdings auf Vordermann gebracht werden musste. Sie legte den Teppich wieder darüber. Im Frühjahr würde sie jemanden bitten, ihn herauszureißen, damit sie ihr weiteres Vorgehen überlegen konnte. Beim Festdrücken des Teppichs strich ein kalter Luftzug über ihre Finger. Sie sah zu der Stelle hinauf, wo sie die Maus entdeckt hatte. Im Kamin musste es einen Spalt geben, durch den die Luft und die Maus hereingekommen waren. Sie schürzte die Lippen. Wieder etwas, worum sie sich kümmern musste.
Ihre Gedanken wanderten zurück zu Daphne. Irgendwo im Haus befanden sich sicher mehr Informationen
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