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Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Titel: Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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vergessenen Bibliothek von Beit il Tani die arabische Schrift gelehrt hatte, so brachte dieser Lehrer ihr bei, sich schriftlich im Deutschen auszudrücken.
    Sosehr Emily aber auch rechnete und sparte – es reichte hinten und vorne nicht. Chole und Metle hatten in ihren Briefen die traurige Nachricht übermittelt, dass etliche ihrer gemeinsamen Halbgeschwister inzwischen verstorben waren. Darunter auch Jamshid und Hamdan, denen Emily einst so nahegestanden und mit denen sie in ihrer Kinderzeit so fröhliche Jahre und so herrliche Tage auf Bububu verlebt hatte. Emily verbrachte einige Tage in Trauer und in stillem Gedenken um die immer lustigen, immer zu Scherzen und Streichen aufgelegten Brüder. Erst als Chole in ihrem nachfolgenden Brief beiläufig erwähnte, dass sie aus dem Erbe einer unverheirateten,kinderlosen Schwester ein hübsches Häuschen nebst Land geerbt hatte, zeichnete sich für Emily ein Silberstreif am Horizont ab.
    Aufgrund des Familienklatsches, mit dem Chole und Metle sie nun regelmäßig versorgten, machte sich Emily eine Aufstellung der verstorbenen Geschwister, bei denen sie sich erbberechtigt glaubte, schätzte anhand ihrer Erinnerung an Häuser, Grundbesitz, kostbaren Schmuck und Bargeld ab, was ihr als Hinterbliebener laut sansibarischem Gesetz wohl zustand. Die aufaddierte Summe raubte ihr den Atem: Sie ging in die Tausende.
    Da Barghash zwei vorsichtig formulierte, von schwesterlicher Zuneigung durchdrungene Briefe, in denen Emily ihn um Vergebung und Versöhnung bat, mit Schweigen quittiert hatte, trug sie noch einmal Schmuck zum Juwelier und kaufte sich im März 1872 ein Zugbillett nach Berlin.
    Denn so wie man auf Sansibar mit seinem Anliegen zum Sultan ging, so wie Heinrich sich mit dem Wunsch, nach Sansibar zurückzukehren, an Konsul und Kanzler gewandt hatte, wollte Emily sich Hilfe von oberster Stelle holen.

    Zu Beginn des vergangenen Jahres hatte Paris nach langer Belagerung und heftigem Beschuss kapituliert, und noch ehe der Friedensvertrag aufgesetzt war, hatten sich die deutschen Staaten des Südens mit dem Norddeutschen Bund zum Deutschen Reich vereinigt. Ein gewaltiges Reich war es, das sich von Ostpreußen bis an den Rhein und vom hohen Norden Schleswig-Holsteins bis ins tiefste Bayern erstreckte. König Wilhelm I. von Preußen war zum deutschen Kaiser gekrönt worden, Bismarck war Reichskanzler, und in der Wilhelmstraße 76 zu Berlin hatte das Auswärtige Amt seinen Sitz, bei dem Emily mit ihrer Aufstellung in der Hand um Unterstützung bei der Durchsetzung ihrer Erbansprüche ersuchte, und sie bat auch den deutschen Konsul in Sansibar schriftlich um Hilfe,der wiederum vom Auswärtigen Amt angehalten wurde, Sultan Barghash das Anliegen seiner Schwester zu übermitteln.
    Dies wurde vom Sultan abschlägig beschieden – Sayyida Salima habe ihr väterliches wie ihr mütterliches Erbteil bereits angetreten; alle weiteren Erbansprüche aus Familienbesitz habe sie mit ihrem Übertritt zum Christentum verloren. Auch davon, dass ihr noch immer drei Plantagen gehörten, wollte der neue Sultan nichts wissen.
    Eine Antwort, die für Emily einer Ohrfeige gleichkam, die sie letztlich aber nur noch mehr anstachelte, weiterhin auf dem zu beharren, was sie für ihr gutes Recht hielt.
    Zunächst gab es allerdings naheliegendere Dinge zu regeln. Das Leben in Hamburg erwies sich auf die Dauer einfach als zu teuer. Was Emily an Geld zur Verfügung stand, reichte nicht für Miete und für Kohlen, für die Löhne von Helga und Friederike; für Brot und Milch und Eier, für Kleidung und Schuhe für die Kinder, die wuchsen wie Unkraut im Frühling. Emily mochte gar nicht erst daran denken, wie es werden sollte, wenn Tony, Said und Rosa alt genug sein würden, um in die Schule zu gehen, wenn sie Schulgeld brauchten, Bücher und Kreide und Schiefertafeln. Wovon sollte sie das bezahlen?

    In der Provinz ließ es sich billiger leben, hieß es. Einfacher zwar und in mancher Hinsicht beschränkter, aber auch für einen kleinen Geldbeutel erschwinglich. Darmstadt sollte ein besonders angenehmer Ort sein, hatte Emily gehört. Hauptstadt des Großherzogtums Hessen, florierte nach dem Ende des Krieges hier die Wirtschaft, ohne dass die Preise dabei in die Höhe schnellten. Gesegnet mit mildem Klima und eingebettet in eine liebliche Landschaft, versprach Darmstadt ein angenehmes Leben. Und nachdem Emily bereits die Fahrt nach Berlin und zurück gemeistert hatte, bestieg sie um sechs Uhr morgens den Zug, der

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