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Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Titel: Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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brach gleich in der Frühe wieder gen Hamburg auf.
    Den Kopf gegen das kalte Glas der Scheibe gelehnt, ihre kleine Reisetasche auf dem Schoß, ruckelte Emily auf der harten Holzbank der dritten Klasse durch Deutschland, zurück in den Norden. Entmutigt und wütend, ein wenig beschämt, dass sie so schnell aufgegeben hatte, und vor allem ohne eine Aussicht, wie es nun für sie weitergehen sollte, starrte sie in die vorüberzuckelnde Landschaft hinaus, die so einladend und so lieblich wirkte. So gar nicht wie die Menschen, denen sie gestern begegnet war.
    Sind die Deutschen alle so? Voller Misstrauen gegen jeden, der kein Vollblutdeutscher ist?
    Vielleicht war es ein Fingerzeig des Schicksals, dass sie sich in diesem Augenblick an eine Dame erinnerte, der sie einmal auf einer Hamburger Gesellschaft begegnet war und die durch ihr offenes Wesen und ihre ungekünstelte Art bei Emily einen angenehmen Eindruck hinterlassen hatte. Die Baronin von Tettau stammte aus Dresden und hatte die Stadt als schön und liebenswert beschrieben. Und noch an etwas anderes dachte Emily während dieser Zugfahrt. Als sie zum wiederholten Male im Hamburger Senat vorgesprochen hatte, um mit allen möglichen Einwänden eine Aufhebung der Vormundschaft zu erwirken, hatte man ihr hochnäsig zur Antwort gegeben: »Gesetz ist Gesetz, gnädige Frau. Und wenn Ihnen die Gesetze dieser Stadt nicht passen, suchen Sie sich doch einen Ort, wo Ihnen diese besser behagen.«
    Ob Dresden dieser Ort war?

    Die Baronin antwortete herzlich auf Emilys Brief – natürlich erinnere sie sich an die liebe Frau Ruete! – und gab bereitwillig und äußerst ausführlich Auskunft auf Emilys Fragen, was das Leben in Dresden betraf. Und lud sie in einem ihrer nächsten Briefe gar ein, sie dort zu besuchen, die Stadt anzusehen und zusammen mit ihr Wohnungen zu besichtigen. Als Stadt der Musik und der Kunst wurde Dresden schwärmerisch »das Florenz des Nordens« genannt, wegen der dominierenden Kuppel der Frauenkirche, den barocken Schnörkeln und Ornamenten, den Farben von weichem Weiß und Terrakotta. Emily war nie in Florenz gewesen, aber sie fand durchaus, dass ihre geliebte Elbe, die die Stadt durchfloss, die sanften Hügel, in die sie eingebettet lag, Dresden eine südliche Note verliehen. Hier lag etwas Heiteres, Beschwingtes in der Luft, und sie mochte den Zungenschlag der Menschen, der weich war und drollig klang.
    Obwohl in Dresden gerade nicht die günstigste Zeit war, um eine neue Bleibe zu finden, und Emily auch hier mit scheelenBlicken gemustert wurde, half ihr die Anwesenheit der Baronin. Gemeinsam besichtigten sie eine sehr schöne Wohnung, groß, hell und freundlich – eigentlich zu groß, allein für Emily und die Kinder, und vor allem zu teuer. Wenn sie allerdings zwei der Zimmer untervermieten könnte, würde es womöglich gehen … Dass die Vermieterin eine gebürtige Hamburgerin war, erschien ihr wie ein weiterer Wink des Schicksals, und so war der Umzug nach Dresden eine beschlossene Sache.
    Blicken gemustert wurde, half ihr die Anwesenheit der Baronin. Gemeinsam besichtigten sie eine sehr schöne Wohnung, groß, hell und freundlich – eigentlich zu groß, allein für Emily und die Kinder, und vor allem zu teuer. Wenn sie allerdings zwei der Zimmer untervermieten könnte, würde es womöglich gehen … Dass die Vermieterin eine gebürtige Hamburgerin war, erschien ihr wie ein weiterer Wink des Schicksals, und so war der Umzug nach Dresden eine beschlossene Sache.
    Voll neuer Zuversicht fuhr Emily zurück nach Hamburg, um ihre Sachen zu packen.

    Hamburg machte ihr noch ein Abschiedsgeschenk: Am 1. Mai 1872 durfte Emily den Bürgereid ablegen und war somit nicht nur offiziell in Hamburg anerkannt, sondern auch Bürgerin des Deutschen Kaiserreiches. Emily vermutete, dass das Auswärtige Amt in Berlin den Senat dahingehend angewiesen hatte, quasi als Entschädigung dafür, dass Emilys Anliegen, an das Erbe ihrer toten Geschwister zu kommen, ihren Grundbesitz wieder für sich zu beanspruchen, bei Sultan Barghash weiterhin auf taube Ohren stieß.
    Emily kehrte Hamburg nicht ungern den Rücken. Dieser Stadt, von der sie einst auf Sansibar solch schwärmerische Träume gehegt hatte und die nun, fünf Jahre nachdem sie sie zum ersten Mal betreten hatte, gepflastert war mit den Scherben ihrer zerbrochenen Träume und getränkt von all den Tränen, die sie hier geweint hatte. Nichts hielt sie mehr in Hamburg.
    Allein der Abschied von Heinrichs Grab fiel ihr

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