Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne
schwer.
Doch was bedeutete schon ein Grab, wenn sie Heinrich weiterhin in ihrem Herzen trug? Die Erinnerung an Heinrich und an die Liebe zu ihm nahm sie mit.
Mit nach Dresden und an all die anderen Orte, an die ihr Lebensweg sie noch führen sollte.
Viertes Buch
Frau Ruete
oder
Die Prinzessin von Sansibar
1873 – 1892
Nomadenjahre
Wenn zwei Elefanten kämpfen, ist es das Gras, das darunter leidet.
SPRICHWORT AUS SANSIBAR
52
Es ist ein Gemeinplatz, dass die Jahre umso schneller vergehen, je älter man wird. Zumindest bis man den Herbst seines Lebens erreicht hat. Bis die Energie, die einen lange Zeit vorwärtsgetrieben hat, nachlässt und die Tage und Wochen wieder lang werden wie zuletzt als Kind.
Emily Ruete jedoch stand noch im Sommer ihres Lebens, und tatsächlich waren die Jahre, seit sie Hamburg verlassen hatte, nur so dahingejagt.
In Dresden hatte sie freundliche Aufnahme gefunden, was vor allem der Baronin von Tettau zu verdanken war, die Emily Ruete, eine Prinzessin von Sansibar , in den Kreis ihrer Freunde und Bekannten einführte. Von Emilys abenteuerlicher und dramatischer Lebensgeschichte zutiefst berührt, war die Baronin davon überzeugt, dass Emily ein großes Unrecht geschah, wenn ihr die Rückkehr in die Heimat weiterhin verwehrt bliebe und man ihr ihr Erbe nicht zugestand. Resolut, wie die Baronin von Natur aus war und dazu noch mit diplomatischem Geschick gesegnet, verschaffte sie Emily die Möglichkeit, Verbindungen bis in die allerhöchsten Kreise zu knüpfen: bis zum Khediven von Ägypten und dem deutschen Botschafter in Alexandria; und über zwei Hofdamen der deutschen Kronprinzessin Victoria, Schwiegertochter desdeutschen Kaisers, gar bis zu deren Mutter, der großen englischen Königin Victoria. Allesamt Frauen mit einem großen Herzen, erklärten sie sich mit Emily solidarisch und unterstützten die Sache Ruete nach Kräften.
Doch vergeblich. Denn sowohl in Großbritannien als auch im Deutschen Reich waren gekrönte Häupter und Regierungsgewalt zwei verschiedene Dinge. Und in der Regierung saßen ausschließlich Männer, die ihre eigene Sicht auf die beharrlichen Gesuche einer Emily Ruete hatten.
Vor allem die britische Regierung hatte ihre eigenen Pläne mit Sansibar. War Barghash zu Majids Lebzeiten noch gegen die Engländer eingestellt gewesen, folgte er als Sultan der Familientradition und genoss den militärischen Schutz der Großmacht. Nachdem es ihm mit britischer Unterstützung gelungen war, einen Einfall der ägyptischen Armee auf sansibarisches Gebiet an der ostafrikanischen Küste zurückzuschlagen, nahm er nur zu gern eine Einladung nach London an. Über Kronprinzessin Viktoria erfuhr auch Emily davon, packte in Windeseile ihren Koffer und reiste ebenfalls in die Metropole an der Themse. In der Hoffnung, Barghash würde ihr ein Gespräch unter vier Augen nicht verwehren, stünde sie erst leibhaftig vor ihm.
Barghash lehnte es jedoch ab, sie zu sehen. Und es schien ihn auch nicht zu kümmern, dass ihn die deshalb erboste Königin Victoria beim Rennen in Ascot hochmütig ignorierte. Sein Hass auf die abtrünnige Schwester war ungebrochen, und deshalb tat die Regierung alles, um ein Zusammentreffen zwischen Bruder und Schwester zu verhindern. Sultan Barghash musste mit viel Fingerspitzengefühl behandelt werden; eine Begegnung der zerstrittenen Geschwister würde gewiss hitzig verlaufen, was einem reibungslosen Ablauf des Staatsbesuches entgegenstünde. Ein hochrangiger Diplomat bot Emily gar eine finanzielle Absicherung für ihre Kinderan, wenn sie davon absah, Barghash aufzusuchen. Vor allem sollte Barghash nicht glauben, Großbritannien unterstütze Emilys Forderungen. Denn London richtete ganz eigene an den Sultan von Sansibar: die endgültige Aufhebung des Sklavenhandels. Barghash stimmte zu, und beide Seiten waren zufrieden.
Nur Emily ging leer aus. Enttäuscht war sie nach Dresden zurückgekehrt und erhielt dort Monate später die Nachricht, dass das Angebot der Regierung, sie mit Geld zu unterstützen, das sie in London in ihrer Not angenommen hatte, hinfällig war. Als deutsche Staatsbürgerin sei die Regierung des Kaiserreichs für sie zuständig – nicht Großbritannien.
Die Chance, Barghash gegenüberzutreten, war vertan – um Geld, das sich als Narrengold herausgestellt hatte.
Von der Regierung Großbritanniens hatte sie keine Hilfe zu erwarten, das hatte sie verstanden. Da nutzten ihr auch Verbindungen zur englischen Krone nichts.
So stolz war
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