Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne
eilfertig in das Sammelsurium aus Geschmeide und hielt Rosa den begehrten Armreif hin. Sehnsüchtig blickte diese ihre Mutter an. »Bitte, Mama!«
Emily zögerte. Zwar hatten sie von der Regierung für die Kosten, die während der Reise anfallen würden, ein nicht gerade geringes Budget erhalten. Sie wusste jedoch nicht, was sie noch an Geld brauchen würden in nächster Zeit, und sie war es außerdem gewohnt, an unnützen Ausgaben zu sparen. Doch den bettelnden Blicken Rosas und Tonys vermochte sie nicht lange standzuhalten.
»Na gut. – Sabah al-cher , guten Morgen«, grüßte sie den Händler, dessen Grinsen daraufhin noch breiter wurde.
»Sabah innur« , kam es hocherfreut von ihm, und er setzte sogleich zu einem geschäftstüchtigen Wortschwall an. »Allerfeinstes Silber, die Damen«, pries er den Armreif an und rieb mit dem Daumen darüber, griff dann zu den Ohrgehängen, die Tony ins Auge gefallen waren, und verfuhr mit diesen ebenso. »Aus der Werkstatt meiner Familie. Allerbeste Arbeit! Solch kunstfertige Stücke bekommt Ihr nur bei mir! Wenn Ihr beides nehmt, mache ich Euch einen besonders guten Preis!«
Um Emilys Mundwinkel zuckte es. Wahrlich, sie war wieder in dem Teil der Welt, in dem sie aufgewachsen war! Sie nannte ihr Gebot, der Händler das seine, und so ging es hin und her, bis sie sich einig waren und Geld und Schmuck den Besitzer wechselten. Als Emilys Töchter sich voller Seligkeit an ihre Mutter schmiegten, verzückt ihre Schätze betrachteten und verglichen, verneigte sich der Händler im Sitzen vor Emily. »Wo habt Ihr unsere Sprache so vorzüglich gelernt? Ihr müsst lange in Bagdad gelebt haben …«
Emily verneinte mit einem Lächeln und verabschiedetesich. Ein Lächeln, das ihr schon beim nächsten Schritt gefror. Es hatte ihr einen Stich versetzt, dass der Händler sie offenbar für eine Europäerin gehalten hatte, die einige Jahre im Orient zugebracht hatte.
Selbst hier, in der arabischen Welt, wurde sie inzwischen als Fremde betrachtet. Als hätten die Jahre in Deutschland einen Teil ihrer Herkunft abgeschliffen.
Und damit einen Teil ihres Seins.
56
Die Hitze flirrte an Deck, auf den Schornsteinen und Aufbauten der Adler , des kleinen Versorgungsdampfers der Kaiserlichen Marine, der Emily und ihre Kinder in Port Said aufgenommen hatte. Seit fünf Tagen schon lagen sie im Hafen von Aden vor Anker und hatten noch immer nicht den Befehl zur Weiterfahrt gen Sansibar erhalten. Nirgendwo an Bord war ein kühles oder wenigstens erträgliches Fleckchen zu finden, schon gar nicht in den engen Kabinen, die die geheimen zivilen Passagiere bezogen hatten.
Emily stand trotzdem an der Reling in der prallen Sonne, mit der Hand ihre Augen beschattend, und betrachtete versonnen den Hafen, der sich sehr verändert hatte, seit sie zuletzt hier gewesen war. Alles, was damals noch provisorisch gewirkt hatte, war neu gestaltet worden. Die hastig zusammengenieteten, windschiefen und rostigen Wellblechdächer zum Schutz gegen die gleißende Sonne waren schönen Kupferdächern auf soliden Streben gewichen. Der Kai hatte einen neuen, glatteren Belag erhalten, und dahinter reihte sich ein hübsches Hotel an das andere. Und viel mehr Schiffe lagen hier vor Anker als früher; vor allem viel mehr Dampfer – Segler zählte Emily nur wenige. Was gleich geblieben war, war das Getümmel im Hafen. Es wimmelte von Menschen, die durcheinanderschrien, kreuz und quer ihrer Wege gingen, Schiffe beludenund entluden und Reisende mit Ponykarren oder Pferdewagen in Richtung der Stadt davonkutschierten.
Der Hafen von Aden hatte sich in der Tat sehr verändert in den vergangenen Jahren.
Ihre Augen wanderten hinauf zu der schartigen schwarzen Felswand unter dem Himmel aus Email, die noch ganz genauso aussah, wie sie sie in Erinnerung hatte. Die sicher auch noch in einhundert Jahren so ewig wirken würde wie einst und jetzt. Jene Felswand, die ihr sicheren Schutz geboten hatte vor Majids Zorn. An deren Fuß sie auf Heinrich gewartet hatte und seine Frau geworden war. Heinrich …
Neun Monate hatte sie hier in Aden verbracht.
Neun Monate, um ein Kind zur Welt zu bringen …
Emily schloss die Augen unter dem Schmerz, der sich durch sie hindurchfraß wie ein wildes, unersättliches Tier.
Begeistert hatte sie festgestellt, dass das Reisen in den Orient heutzutage dank des technischen Fortschritts wesentlich schneller und bequemer vonstatten ging als damals. Statt auf einem Pferdekarren durch eine glühende
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