Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne
Wüstenlandschaft gen Suez zu schaukeln, fuhr man jetzt auf recht angenehme Weise mit der Eisenbahn nach Port Said, ein buntes und lebhaftes Städtchen mit breiten Straßen und neuen Häusern. Und der Suezkanal, der auf Emilys Hinweg kaum mehr als eine Furt in der Erde gewesen war, war heute ein viel befahrener Wasserweg, durch den sich zahlreiche große und kleine Schiffe schoben.
Wären wir damals nicht so lange in der Hitze unterwegs gewesen … Wäre die Reise kürzer gewesen und leichter – vielleicht …
Der nächste Tag brachte Erleichterung. Für Emily, weil die Adler endlich wieder in See stechen konnte und Aden sehr bald außer Sicht war. Eine Erleichterung bedeutete die Weiterfahrt aber auch für die Mannschaft und für Emilys Kinder,denn die größte Hitze war damit vorüber. Wolken ballten sich am Himmel zusammen, drohend und düster, ließen keinen einzigen Sonnenstrahl zur Erde durchdringen, und ein böig auffrischender Wind verschaffte angenehme Kühlung. Wenn auch das Schiff auf der aufgewühlten See unruhig tanzte.
Der aufgeräumten Stimmung an Bord tat dies keinen Abbruch. Wie jeden Morgen saßen Emily und die Kinder an Deck, um gemeinsam mit den Offizieren das Frühstück einzunehmen.
»Famoser Junge, den Sie da haben«, wandte sich Leutnant von Dombrowski, der das Schiff befehligte, an sie. Emilys Blick wanderte zu Said, der sich gerade von einem Offiziersanwärter, der kaum älter sein konnte als er selbst, die Grundbegriffe der Navigation erklären ließ. Seine dunklen Augen waren in konzentriertem Ernst zusammengekniffen, während er immer wieder verstehend nickte, Zwischenfragen einwarf und mit seinen schlanken Fingern Punkte und Linien auf dem Tisch vor sich bezeichnete. Anders als Tony hatte er noch nie zur Pummeligkeit geneigt, doch jetzt, mit sechzehn, begannen seine Züge ihre kindliche Weichheit zu verlieren, und sein arabisches Erbe, vor allem das seines Großvaters, trat deutlicher hervor. Doch wenn er lachte, war er ganz Heinrich; ein Anblick, der Emily das Herz erwärmte und doch auch immer einen Moment der Pein bedeutete.
»Ihr … Felix «, fuhr er mit überdeutlicher Betonung fort und zwinkerte Emily zu. »Verehrte Frau von Köhler .« Er verneigte sich leicht in ihre Richtung.
Emily schlug verlegen die Augen nieder. Noch immer war ihr nicht wohl dabei, dass sie unter falschem Namen reisten. Dass sie vorgab, eine Spanierin zu sein, die einen Deutschen geheiratet hatte und sich auf dem Weg nach Colombo befand. Doch das war eine der Bedingungen, die ihr vor der Abreise gestellt worden waren – die Bedingung, unter der sie ihreKinder mitnehmen durfte. Ein wenig verunsichert fühlte sie sich auch durch den Leutnant. Groß und breitschultrig, blond und mit einem verschmitzten Glanz in den Augen, besaß er nicht wenig Ähnlichkeit mit Heinrich – auch diese Löwenaura, die durch seinen buschigen Backenbart noch betont wurde.
»Wie lange werden wir noch unterwegs sein?«, erkundigte sie sich.
Der Leutnant machte ein nachdenkliches Gesicht. »Etwa noch acht Tage.« Ein heftiger Windstoß erfasste Emilys Serviette, doch ehe er diese davontragen konnte, hatte Dombrowski sie schon ergriffen und reichte sie Emily mit einer galanten Geste zurück. »Wir geraten in den Südwest-Monsun«, erklärte er. »Aber seien Sie unbesorgt: Die Adler ist sturmerprobt!«
Wie auf Geheiß krängte das Schiff gefährlich. Eine hohe Welle warf sich bordwärts über die Reling, klatschte auf das Deck und durchnässte sie alle. Die nächste Welle rollte bereits heran, und kaum einen Wimpernschlag später peitschte von Böen vorangetriebener Regen über das Schiff.
»Alle Mann unter Deck, sofort!«, bellte der Leutnant und sah zu, dass Emily, die wie eine Glucke ihre Küken ihre Kinder um sich zu scharen suchte, als Erste in den Bauch des heftig schaukelnden Schiffes hinabstolperte.
In einem Winkel ihrer Kabine klammerten sie sich aneinander, Rosa an Emily, Tony an Said, während die Adler wie ein Spielzeug in der Faust eines tobenden Jungen hin und her geschüttelt wurde. Immer wieder musste sich eines der Mädchen losmachen, grünlich im Gesicht und die Hand vor den Mund gepresst, um sich in einen Eimer oder in die Waschschüssel zu übergeben. Auch Emily wurde von entsetzlicher Übelkeit geplagt. Nur Said schien die Schaukelei keinerlei Beschwerden zu verursachen.
Als von überall her Wasser eindrang, bekamen sie es mit der Angst zu tun. Es tropfte von der Decke, rann die Wändeherab, und mit
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