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Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Titel: Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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kleinen Pause fort: »Ihretwegen werden wir keine Reichsinteressen aufs Spiel setzen. Auch nicht für ihre schönen Augen. Wenn uns der Sultan aber zu einem Eingreifen zwingt, dann mag sie uns durchaus ein nützliches Argument sein, um einen Angriff zu rechtfertigen.«
55
    Es war eine Reise, die größter Geheimhaltung unterlag.
    Zwar hatte Bismarck sich vorab erkundigt, ob es von britischer Seite aus Einwände gegen die Flottendemonstration der kaiserlichen Marine vor der Küste Sansibars gebe, mit denen das Deutsche Reich seine Position im Streit um die Gebiete in Ostafrika zu verdeutlichen gedachte. Doch da Großbritannien im zu Ägypten gehörenden Sudan gerade mit dem Mahdi-Aufstand zu tun hatte und sich der lange schwelende Grenzkonflikt in Afghanistan durch einen Vormarsch der russischen Armee obendrein zu einer Krise verschärft hatte, die jeden Tag Krieg bedeuten konnte, bestand kein Interesse daran, sich auch noch mit Deutschland um Sansibar zu streiten. Zumal die Bedeutung Sansibars für die englische Krone im Vergleich zu früheren Tagen stark nachgelassen hatte. Sultan Barghash hatte den Briten sein Reich aus praktischen Erwägungen als Protektorat angeboten. Uneingeschränkter militärischer Schutz für Sansibar im Tausch gegen gewisse Zugeständnisse des Sultans, ohne dabei die Eigenständigkeit ganz aufzugeben – ein lohnendes Ziel für Barghash. Das London jedoch ausschlug: Die britische Vorherrschaft in Ostafrika sei derart stark, dass sie auf Sansibar nicht angewiesen seien.
    Dass Frau Ruete und deren Kinder an Bord eines dieser Schiffe sein würden, hatte Bismarck tunlichst verschwiegen; er wollte vermeiden, dass die Gerüchte, das Deutsche Reich beabsichtige, Emilys Sohn als Thronfolger Barghashs einzusetzen, um so indirekt die Kontrolle über die Insel zu erlangen, neue Nahrung erhielten. Gerüchte, denen Frau Ruete selbst vor einiger Zeit in einem Brief an eine deutsche Zeitung widersprochen hatte und die sich dennoch hartnäckig hielten. Zudem sollte der Sultan selbst erst möglichst spät von der Ankunft der deutschen Flotte und ihrer geheimen Fracht erfahren.

    »Mama, schau doch! Schau dir nur all die Häuser an! Hier sieht es ganz anders aus als bei uns!«
    Rosas Stimme überschlug sich beinahe vor Begeisterung, als sie im Hafen von Triest warteten, um an Bord des Passagierschiffs zu gehen. In der vordersten Reihe standen hohe schmucklose Bauten unter roten Dachpfannen, hinter denen sich ein Gassengewirr erahnen ließ. Den Hügel hinauf zogen sich kleinere, südländisch anmutende Häuser in warmen Farben, zwischen denen einzelne Zypressen standen.
    Said hingegen war ganz gebannt von all den Schiffen vor ihnen am Kai. Kleine und große Segelschiffe; abgenutzte Lastkähne mit unter Planen verborgener Ladung; ein Schaufelraddampfer namens Milano . Und Tony wachte mit strengem Blick über das Gepäck.
    »Mama?« Rosa legte den Arm um Emilys Taille. »Sag bloß, du freust dich nicht. Wir fahren nach Sansibar, Mama! Endlich!« Als ihre Mutter keine Regung zeigte, schlich sich Enttäuschung in Rosas Stimme. »Freust du dich denn gar nicht? Das ist es doch, wonach du dich all die Jahre gesehnt hast …«
    »Doch, Liebes«, erwiderte Emily und drückte ihre Tochter an sich, die mit fünfzehn nun schon fast so groß war wie sie.»Natürlich freue ich mich. Ich bin nur erschöpft von der langen Fahrt.«
    Was durchaus der Wahrheit entsprach. Emily hatte Bismarck zugesichert, dass sie jederzeit abfahrbereit sei. Die Tage und Wochen, in denen die Familie buchstäblich auf gepackten Koffern saß, in denen Emily sich an den Gedanken klammerte, Sansibar tatsächlich bald wiederzusehen, und in denen sie doch ständig fürchtete, einmal mehr enttäuscht zu werden und ihre Koffer wieder auspacken zu müssen, hatten gezehrt an ihr. Ebenso wie die Aufregung, als unverhofft der Bote bei ihnen vor der Tür stand und ihnen mündlich die Nachricht überbrachte, dass sie am 1. Juli aufbrechen sollten. Emilys Herz blieb für einen Augenblick lang stehen, dann begann es wild zu schlagen. Und die zweitägige Fahrt mit der Eisenbahn von Berlin über Breslau bis nach Wien, wo sie in den Zug umgestiegen waren, der sie nach Triest gebracht hatte, hatte ebenfalls ihren Tribut an Kraft von Emily gefordert.
    Die Wahrheit war, dass Emily Angst hatte. Angst vor der Begegnung mit Barghash und ebenso Angst, dass es auch dieses Mal zu keiner Begegnung kommen würde. Weil er ihr nach all den Jahren einfach nicht verzeihen konnte,

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