Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne
nur ja niemand Geringeres zu nahe kam, die ständig missbilligend zusammengezogenen Brauen und die verächtlich abwärts gebogenen Mundwinkel ließen keinen Zweifel daran, wo sie sich selbst sah: gleich unter dem Propheten höchstselbst. Danach kam einige Zeit niemand, dann der Sultan und dann sehr, sehr lange gar nichts.
Djilfidan war nie müde geworden, um Verständnis für Sayyida Azza zu bitten – war es dieser doch versagt geblieben, dem Sultan Kinder zu schenken. Salima mochte sie trotzdem nicht; sie fürchtete deren spitze Zunge ebenso wie ihre fortwährend schlechte Laune. Wie jeder in Beit il Mtoni. Auch der Sultan.
Umso entzückender war es, dass Sayyida Azza sich von ihren Kissen erhob und sie im Stehen empfing, um sich die winzige, zarte Hand küssen zu lassen. Kein herzlicher Abschied, jedoch einer, bei dem Azza bint Sayf zum ersten Mal einen Anflug von Wertschätzung erkennen ließ.
Ein letztes Mal wurden Hände gedrückt, letzte Wangenküsse ausgetauscht; als die Sonne untergegangen war, wurde das letzte Abendgebet verrichtet, und vor dem festlich erleuchteten Palast bestieg Djilfidan über eine ausgelegte Planke das Boot, von beiden Seiten durch Leibdiener des Sultans gestützt, die durch das flache Wasser wateten.
Durchbrochene Messinglaternen beleuchteten die Prunkbarke des Sultans, warfen zitternd bunte Lichtflecken auf die Seidenkissen und auf die beiden schmucklosen Flaggen an Bug und Heck. Rot waren sie, wie das Blut, das für die Gründung und den Erhalt der Dynastie vergossen worden war. Von einem Leibdiener hinübergetragen und sanft unter den Baldachin gebettet, fühlte Salima sich wahrhaftig wie eine Prinzessin. Eingehüllt in die Wärme der Nachtluft und in dieWärme der Mutter dicht neben ihr, kam sie sich behütet vor wie ein kostbarer Schatz. Doch ihr Magen ballte sich schmerzlich zusammen unter dem herzergreifenden Weinen der Frauen, unter der klagenden Melodie des weda, weda, leb wohl, leb wohl, das eins war mit dem Rauschen der Wellen und dem rhythmischen Schlagen der Ruder. Ihr Herz jedoch dehnte sich aus, wurde groß und weit, um den wehmütigen Gesang der Fährmänner zur Gänze in sich aufzunehmen. Um den Silberglanz der Sterne auszutrinken, die hier, auf dem Wasser, so viel näher waren als von einem der Fenster aus oder auf der Dachterrasse. Als steuerte die Barke himmelwärts, geradewegs in die Gestirne hinein, und wiegte Salima, deren Bauch zum Bersten voll war mit Zuckerzeug, deren Sinne durchtränkt waren mit Bildern, Worten und Klängen, in tiefen Schlaf.
An der Hand ihres großen Bruders durchstreifte Salima am anderen Morgen das Haus von Beit il Watoro. Noch etwas unsicher stolperte sie auf ihren hohen Sandalen neben ihm her; sie war gerade erst dabei, auf den hölzernen Sohlen mit den Klötzen darunter gehen zu lernen, die nur von bemalten und mit Perlen, Troddeln und Ornamenten geschmückten Lederriemen am Fuß gehalten wurden. Die vertrauten weichen Lederpantoffeln wären ihr lieber gewesen, doch diese schlummerten noch in irgendeiner der Kisten. Salima war überzeugt, dass die Holzsandalen nur deshalb qubqab hießen, weil sie auf Steinböden ein entsprechendes Geklapper veranstalteten: kubkab, kubkab, kub-kubkab.
»… und das hier werden meine Gemächer.«
In Majids Augen stand funkelnd die Selbstsicherheit, dass er von nun an sein eigener Herr in seinem eigenen Hause war. Ein Haus, in dem es so geschäftig zuging wie in einem Bienenstock, damit es nach den Wünschen seines neuen Besitzers hergerichtet wurde. Betten, Truhen und Kisten, Stühleund hohe und niedrige Tische wurden umhergeschleppt und wieder verschoben; farbenprächtige persische Teppiche und frische weiße Matten auf den gefegten Böden ausgerollt. Die in den Wandnischen übereinander angebrachten grün gestrichenen Holzbretter stellten geschliffenes Glas und bemaltes Porzellan zur Schau, ziseliertes Silber und kunstvolle Uhren. Die Wände wurden mit Spiegeln und Wandteppichen bedeckt und in Majids Räumen mit Prunkschwertern, Schmuckdolchen und Gewehren geschmückt sowie mit Fellen und ausgestopften Köpfen von wilden Tieren.
»Gefällt dir das Haus?«
Der Besitzerstolz leuchtete aus Majids Zügen, und Salima fühlte sich elend wegen der Enttäuschung, die sich mit jedem Raum, mit jedem Korridor in ihr ausgebreitet hatte. In einer Reihe mit anderen Häusern der Sultansfamilie unmittelbar am Meer gelegen, war Watoro zweifellos gut geschnitten und in tadellosem Zustand. Verglichen mit der
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