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Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Titel: Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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legte sein Gewehr an.
    Eine abessinische Dienerin namens Kyalamboka hatte die erste Einsamkeit einzudämmen vermocht. Was auch immer sie im Haus an Arbeit zu erledigen gehabt hatte, stets hatte sie dabei das kleine Mädchen neben sich geduldet, in ihrer eigenen Sprache erklärt, was sie da gerade tat, und als Salima dann ein bisschen Abessinisch gelernt hatte, hatte sie ihr Märchen aus ihrer Heimat erzählt, von Elefanten und Löwen und bösen Hexen, die Salima wohlig schaudern machten. Wann immer Majid Zeit erübrigen konnte, verbrachte er sie mit Salima. Die Kaninchen blieben nicht die einzigen Tiere in Beit il Watoro. Bunte Hähne in Käfigen hielten Einzug. Keine gewöhnlichen Hähne, sondern aus der ganzen Welt herbeigeschaffte und eigens für den Kampf gezüchtete Hähne, von denen Salima bald eine ganze Zahl ihr Eigen nennen und gegen diejenigen Majids antreten lassen konnte. Gemeinsam unternahmen Bruder und Schwester Ausritte, und Majid unterwies Salima in der Kunst des Kampfes und der Jagd. Zum großen Entsetzen Djilfidans.
    Ein Knall zerriss die Stille des Waldes, und oben am Baum explodierte eine Mango in grüne Schalenstücke, Saftspritzer, Fruchtfetzen und Kernsplitter.
    »Knapp verfehlt«, kommentierte Salima den Schuss ihres Bruders.
    »Nein, das war ein Volltreffer. Genau das hatte ich beabsichtigt«, widersprach Hamdan, sich angelegentlich mit der Mechanik seiner Büchse beschäftigend; dabei wusste er doch zu gut, dass allein zählte, die langen Stiele mit der Kugel zu durchtrennen und die Früchte so herabzuholen.
    »Sei’s drum! Ich hab gewonnen«, verkündete Salima lachend,hängte sich ihre Büchse im Gehen um und machte die Zügel ihrer schwarzen Stute los, die sie in einiger Entfernung neben Hamdans Braunem um einen Ast geschlungen hatte.
    »Pah, du willst nur vermeiden, dass ich dich doch noch schlage«, rief Hamdan, folgte ihr aber.
    »Irrtum!« Salima schwang sich immer noch lachend in den Sattel. »Ich will dir die Schande ersparen, im Wettstreit gegen mich gänzlich unterzugehen. Gegen ein Mädchen «, setzte sie neckend hinzu.
    »Haha«, machte Hamdan bissig, doch dann zwinkerte er ihr zu und stieg ebenfalls auf.
    Sie lenkten ihre Pferde fort von der kleinen Lichtung, hinein ins Grün, unter herabhängenden Zweigen und zwischen ausladendem Gesträuch hindurch.
    Mit Händen und Füßen hatte Salima sich gegen den weiteren Besuch der Schule in Beit il Sahil gewehrt. Als hätte sie geahnt, dass die ersten Tage dort ihre bisherige Sicht mancher Dinge auf den Kopf stellen würden. Hatte sie in Mtoni mit ihrer Keckheit der Lehrerin gegenüber den unumstrittenen, bewunderten Mittelpunkt der Schüler gebildet, war das Interesse der Buben von Beit il Sahil an ihrem neuen Schwesterchen schnell erlahmt. Von ihrer Halbschwester Shawana, die auch dort lebte, sah Salima nicht viel, da diese die Schule bereits beendet hatte, obwohl sie gerade einmal ein Jahr älter war. Und um Nunu, die blind geboren worden war und die jedem, der sehen konnte, diese Fähigkeit bis aufs Blut neidete, machte sie lieber einen großen Bogen.
    Doch während Salima bis auf den Freitag, den Feiertag, die ganze Woche mit verschränkten Armen und trotzig vorgeschobener Unterlippe auf der Galerie von Beit il Sahil saß, ereignete sich etwas Erstaunliches. Sie vergaß die Qual des Stillsitzens, die Folter des Schweigens und hörte wie gebannt der Lehrerin zu, die es verstand, gleichermaßen spannend wielustig zu unterrichten. Nicht lange, und Salima war ihrem Zauber gänzlich erlegen, umschmeichelte die Lehrerin wie ein Hündchen und war bemüht, sich durch Fleiß und Klugheit hervorzutun. Die Gleichgültigkeit der Brüder schlug um in Gehässigkeit, und mehr als einmal trieben sie, angeführt von Hamdan, nicht nur böse Scherze mit Salima, sondern ließen sie auch ihre Fäuste spüren. Bis in Salima einmal ein solcher Zorn aufsiedete, dass sie herumfuhr und sich auf den verblüfften Hamdan stürzte, auf ihn eindrosch, ihn kratzte und biss. Leibdiener eilten herbei und hatten alle Mühe, die ineinander verkeilten Kinder zu trennen. Und Hamdan begann zu lachen, lachte aus vollem Hals und zwinkerte mit blutender Nase der wutschnaubenden Salima übermütig zu – einer jener magischen Momente, in denen Freundschaften geschmiedet werden.
    »Wetten, ich bin vor dir in der Stadt, Schwesterchen?«, hörte Salima ihren Bruder hinter sich, ebenso lockend wie herausfordernd. Der Pfad war schmal, an manchen Stellen kaum breit genug für

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