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Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Titel: Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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solange es einen solchen Mangel an weiblichen Tugenden und Fertigkeiten aufwies. Am Ende stachelte dieses Ungleichgewicht Salima zu noch mehr Ungehorsam an!
    Doch des Sultans Entscheidung stand unverrückbar fest, und Djilfidan hatte sich gefügt. Wie sie sich immer gefügthatte. In der Gewissheit, dass alles Teil der Vorsehung war. So wie es Allahs Wille gewesen war, sie zur Nebenfrau des Sultans zu machen, der ihr immer ein guter Herr gewesen war, voller Güte und gerecht und nie grob. So wie es Allahs Wille gewesen war, ihr die erste Tochter viel zu früh zu nehmen und sie dann mit Salima so reich zu beschenken.
    Und obwohl Djilfidan fest daran glaubte, dass alles vorherbestimmt war, betete sie manches Mal, dass ihr Kind es einmal besser haben möge. Nie sollte Salima große Angst kennenlernen und fern ihrer Wurzeln leben, die man ihr gewaltsam gekappt hatte. Einen guten Mann sollte sie bekommen und viele gesunde Kinder.
    So wenig, was sie selbst dazu beitragen konnte. Außer zu beten. Und ihre Tochter all das zu lehren, was sie für ein solches Leben benötigen würde.
    Alles andere lag allein in der Hand Allahs.

Wildwuchs
    Mach schneller die Schritte im Tanz; wenn der Djinn kommt – mach schneller die Schritte im Tanz.
    VOLKSLIED AUS SANSIBAR
5
    »Aber die dort oben erwischst du nicht – wetten?!«
    Salimas eine Augenbraue zog sich spöttisch nach oben. Statt der Ponyfransen und der dünnen Zöpfchen trug sie die Stirn nun frei und das Haar in dicken Tressen bis zur Taille; dem ersten ausgefallenen Milchzahn waren weitere gefolgt, allesamt durch kräftigere ersetzt. Groß war sie geworden – sogar recht groß für ihre zwölf Jahre, und der hohe Wuchs der Mutter schlug ebenso durch wie der des Vaters. Salima war schlank und sehnig wie der Sultan, doch ihre Arme waren noch etwas schlaksig und die Beine staksig wie die eines Füllens.
    Sie überprüfte noch einmal das nachgeladene Gewehr, legte es an und stellte sich in Position, wie Majid es ihr beigebracht hatte. Und Majid war ein guter Lehrer gewesen, nicht nur was die Handhabung von Büchsen und Pistolen anbelangte, sondern auch in der Kunst des Kampfes mit Lanze, Dolch und Säbel. Ein Auge zugekniffen, den Finger am Abzug, zielte Salima mit der Büchse in die Baumkrone. Sie nahm sich Zeit, wartete auf den einen Moment, in dem ihr Kopf sich von jeglichem Gedanken frei gemacht hatte und sie in ihrem Bauch etwas wahrnahm wie das satte Zuschnappen eines Truhenschlosses. Dann drückte sie ab. Der Schuss hallte weithin durch den Wald, und durch den Rauchschleier sah Salimamit höchster Zufriedenheit, wie der schnurähnliche nackte Zweig riss. Die Mango sauste senkrecht herab, traf mit einem schmatzenden Geräusch auf dem Boden auf, mitten zwischen andere herabgeschossene Mangos, vom Aufprall zu sonnengelbem Fruchtmus zerplatzt.
    Salima ließ die Büchse sinken und wandte sich mit einem triumphierenden Lächeln zu ihrem fast gleichaltrigen Halbbruder Hamdan um. Der kratzte sich nachdenklich am Kopf, bis ihm der Turban beinahe vom Schädel rutschte, der blank geschoren war, wie es dem Brauch für Jungen und für erwachsene Männer entsprach.
    »Nicht schlecht«, brummelte er dann, hörbar bemüht, seine Stimme gleichmäßig tief zu halten und am Hinüberkippen in höhere Lagen zu hindern, und fügte dann mit einem Grinsen hinzu: »Für ein Mädchen.«
    Wer ist stärker, schneller, geschickter? – darum ging es immer bei Salima und Hamdan. Darum war es von Anfang an gegangen, in einem blinden, ausgelassenen Wetteifern. Und Allah musste besonders gut seine Hand über sie halten, damit keinem von beiden ein Leid geschah. Sei es am Stamm einer krumm gewachsenen Palme, der auf Augenhöhe den Pfad überspannte und den Salima erst im letzten Moment sah, worauf ihr nichts anderes übrig blieb, als sich in vollem Ritt aus dem Sattel fallen zu lassen. Sei es durch einen Pfeil, den Hamdan – »ich wollt doch nur mal gucken, wie tief der reingeht!« – ihr einmal zwischen die Rippen geschossen hatte. Waren die Kinder des Sultans ohnehin eine kaum im Zaum zu haltende Rasselbande, trieben es Salima und Hamdan besonders bunt.
    Salimas Augen wurden schmal, und ihre Mundwinkel kräuselten sich geringschätzig. Rasch drehte sie den Kopf wieder in Richtung des wilden Mangobaumes und deutete auf eine Frucht, die ungefähr in der gleichen Höhe hingwie diejenige, die sie soeben geschossen hatte. »Das ist deine nächste.«
    »Kinderspiel«, bemerkte Hamdan mit blasierter Miene und

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