Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne
in ihr auf, dass Barghash aus Mannesstolz und aus unangebrachtem Anstand ihren schlauen Einfall so leichthin zu verwerfen gedachte.
»Dann kannst du von mir aus hier verrotten«, gab sie zurück, erschrak nicht einmal über die Giftigkeit ihrer Worte. »Einen anderen Weg hinaus wird es nämlich so bald nicht geben.«
»Wir halten das für einen sehr klugen Plan …«, warf Shambu’a ein, und Farshu setzte hinzu: »… den unsere Salima sich da ausgedacht hat.«
»Sie haben recht, Barghash«, meldete sich nun auch Meje zu Wort und strich Abd’ul Aziz beruhigend über den Kopf, der sich an ihr Obergewand klammerte. »Das ist schlau eingefädelt, und der Zweck heiligt schließlich jedes Mittel!«
»Viel Zeit bleibt dir nicht, dich zu entscheiden«, drang Chole weiter in ihren Bruder. »Eine Stunde hat uns der Oberst gegeben – nicht mehr.«
Auf den Stundenschlag genau begaben die Frauen sich durch das Portal wieder hinaus, dicht beieinander, sittsam verhüllt, begleitet von Grußworten und Segenswünschen der Soldaten, die sie mit zwitschernden Dankesformeln erwiderten, bevorsie mit ihren wartenden Dienerinnen die Gasse hinaufgingen und hinter der nächsten Hausecke verschwanden.
Ihre Schritte wurden schneller und immer schneller, der Atem gehetzt und keuchend, als die Frauen durch das Labyrinth der Stadt liefen, unter den silbernen Sternen, nachdem die Laternen gelöscht waren. Die Säume ihrer schwarzen Überwürfe flatterten hinter ihnen her. Der steife Stoff gab ein Rauschen von sich wie Vogelschwingen, und Schmuck klingelte aneinander. Nur die weichen Pantoffeln machten kein Geräusch. Nach und nach löste sich der Zusammenhalt auf, lockerte sich der Schwarm, zog sich in die Länge, als sie den Damm über die Lagune überquerten, hinüber zur Lehmstadt.
»Wie weit ist es noch?«, grollte eine tiefe Stimme an der Spitze des Zuges, kaum dass sie an den letzten Hütten vorübergehastet waren, und die dazugehörigen Hände zerrten ungehalten an der schele .
»Noch ein gutes Stück«, keuchte Salima. »Der Treffpunkt ist weit draußen, im Grünen.«
Sie biss die Zähne zusammen, als sie auf einen Stein trat, dessen scharfe Kanten ihr schmerzhaft in die Sohle schnitten, und sie strauchelte, als er unter ihrem Tritt wegrollte. Sie fing sich jedoch gleich wieder und rannte unbeirrt weiter.
»Herrin!«, rief es von vorn, atemlos. Es war der Diener, der sie an der ersten Hausecke hinter dem belagerten Haus erwartet hatte, dann vorausgelaufen war, um ihren geglückten Aufbruch zu melden, und der ihnen nun wieder entgegengehastet kam. »Es ist alles bereit!«
Ein erleichtertes Seufzen entfuhr Salima.
Geräusche krochen durch die tiefe Nacht: das Rascheln und Scharren von Füßen, verstohlenes Hüsteln und erwartungsvolles Räuspern. Irgendwo schrie ein wildes Tier, heiser und spitz. Dann eine Stimme, verhalten hoffnungsvoll: »Seid Ihr das, Eure Hoheit?«
»Sayyid Barghash höchstselbst«, ließ sich dessen Bass vernehmen, »und kein Geringerer.«
» Alhamdu li-llah , Allah sei Dank«, kam es zehnfach, hundertfach aus der Dunkelheit.
»Lebt wohl.« Barghash warf die schele von sich, packte seinen kleinen Halbbruder Abd’ul Aziz und mischte sich unter die Schar seiner Getreuen, deren Marschtritte leiser wurden und leiser, bis sie in der Nacht verklangen.
15
Mit einem Ruck setzte Salima sich auf. Ihr Herz raste. Das dünne Obergewand ihrer Schlafkleidung klebte an ihrem feuchten Rücken. Jeder Zoll ihres Körpers schmerzte, die wundgelaufenen Füße mit den Blasen noch mehr, und stöhnend ließ sie sich in die Kissen zurückfallen. Ein Gewaltmarsch war es gewesen letzte Nacht, aus der Wildnis zurück in die Steinstadt, wo sich die Frauen getrennt hatten und auf verschlungenen Wegen in ihre beiden Häuser zurückgekehrt waren.
Doch die Stimmen, die Laute, die sie hörte, waren nicht der Nachhall des bösen Traumes, der sie gepeinigt hatte; sie waren Wirklichkeit, drangen immer lauter in Salimas schlafvernebeltes Bewusstsein. Hastig sprang sie aus dem Bett und lief in die Richtung, aus der der Aufruhr kam.
In Choles Gemach, das zum Meer hinausging, drängten sich die Frauen an den Fenstern. Salima schob sich zwischen ihnen hindurch und lehnte sich dann ebenfalls weit über die Brüstung.
Soldaten, überall Soldaten, Hunderte und Aberhunderte, die durch die Gassen marschierten. Und als Salima hinausschaute, über das Dach von Barghashs Haus hinweg, an den Mauern von Beit il Sahil vorbei, sah sie die ersten
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