Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne
schien, verschlug es ihr die Sprache. Sie musste mehrmals ansetzen, bis sie ein leises, ein wenig ausweichendes »Dafür braucht es keinen Dank« hervorbrachte.
Majid lobte den servierten Kaffee, erkundigte sich nach Salimas Wohlbefinden, nach dem Gedeihen ihrer Plantagen und nahm ihr das Versprechen ab, dass sie in den nächsten Tagen den Besuch in Beit il Sahil erwidern sollte, bei ihm, Khaduj und ihrer gemeinsamen Tante Aisha.
Als er sich nach einer Stunde erhob, um sich zu verabschieden, sah er seine Schwester lange an.
»Was gestern war, soll vergeben und vergessen sein. Nur das Heute zählt und das Morgen. So wollen wir es von nun an halten, nicht wahr, Salima?«
Sie hätte erleichtert sein müssen, doch sie war es nicht. Zu Recht, wie sich innerhalb von Tagen herausstellte. Denn die prunkvolle Ankunft des Sultans in ihrem Haus war nicht unbemerkt geblieben, und was zwischen ihnen gesprochen worden war, drang nur zu bald über die Mauern hinaus in die Stadt, erreichte bald auch Barghash und Chole, die Giftund Galle spuckte und dafür sorgte, dass es Salima zu Ohren kam.
Es nimmt einfach kein Ende , dachte diese oft. Immer wieder holt es mich ein. Der Graben, der durch unsere Familie verläuft, wird sich nie wieder schließen, und ich werde immer auf den beiden Kanten mein Gleichgewicht suchen müssen.
Oberflächlich hatten Majid und sie sich versöhnt; die geschwisterliche Nähe früherer Tage wollte sich indes nicht wieder einstellen. Fremd waren sie einander geworden, so wie Salima sich immer mehr als Fremde in ihrem eigenen Land empfand. Ihr Leben in der Stadt war kein einsames. Sie kam mit Majid und Khaduj in Beit il Sahil zusammen und auch mit ihrer Tante. Freundinnen von früher besuchten sie, und als zwei Basen von ihr sich mit zwei Brüdern verheirateten, versammelte sich ein Großteil der Nachkommen von Sultan Sayyid Sa’id auf dem rauschenden Fest. Doch Salima fühlte sich stets beobachtet, sie gab beständig acht, was sie sagte und wie sie sich verhielt, um nicht wieder Misstrauen gegen sich zu säen. Und selbst in ihr Verhältnis zum Dreigestirn Jamshid, Hamdan und Abd il Wahab drang das Gift der übergroßen Vorsicht und verdarb die Ungezwungenheit. Als ob diese hier in der Steinstadt nicht gedeihen konnte, fern des sandigen, meerbespülten Bodens von Bububu.
Nein, es war kein einsames Leben, das Salima in diesen Wochen führte, und dennoch fand sie keinen Halt mehr im vielschichtigen Geflecht aus Brüdern und Schwestern, Basen und Vettern, aus Freunden und Bekannten, ohne dass sie das wachsende Gefühl der Entfremdung an etwas hätte festmachen können. Wie ein Stück Treibholz auf offener See, willenlos von den Wellen umhergeschaukelt, kam sie sich vor und gleichzeitig wie ein Fels, fest gegründet im Meeresboden, an dem das Wasser aufbrandete, über den es hinwegspülte, ohneihn je in Bewegung zu versetzen. Die Tage und Abende, die mit Einladungen und Gegeneinladungen dahintröpfelten, erschienen ihr öde und leer.
Umringt von den Mauern des Hauses, in denen der Gluthauch der Stadt dick und lastend stand und die sich bei Regen mit schwülwarmem Dampf füllten, glaubte Salima zu ersticken. Die Sehnsucht nach Bububu, nach der herrlichen Meeresluft, verursachte ihr körperliche Pein. Die einzige Zuflucht, die sich ihr bot, war die offene Fläche des Daches. Halbe Nächte verbrachte sie hier oben unter dem Sternenhimmel, mit gekreuzten Beinen auf einem Polster sitzend und über Dinge nachsinnend, die ihr gleich darauf wieder entglitten, nur in Gesellschaft der blütenweißen Katze, die ein Vetter ihr von seiner Pilgerfahrt nach Mekka mitgebracht hatte und die Chole ihr bitter neidete, wie ihr zugetragen worden war. Zuweilen stand sie auch einfach an der Brüstung und sah auf die Stadt hinaus oder wanderte ruhelos wie ein Geist dort umher, gleichsam in gespannter Erwartung von Ereignissen, von denen sie nicht einmal eine vage Vorstellung besaß. Manchmal war sie ganz mutig, löschte die Lampen, die eine fürsorgliche Dienerin entzündet hatte, und legte Maske und schele ab. In der Tarnung der Dunkelheit hielt sie ihr bloßes Gesicht in die Richtung, in der das Meer lag, und seufzte selig, wenn sich ein salziger Lufthauch herüber verirrte.
Es war ein solcher Abend, den Salima auf dem dunklen Dach verbrachte, die Nachtluft schmeichlerisch und tröstend auf Stirn und Wangen, als Stimmen, Gelächter und feines Klirren wie von Silber und Porzellan ihre Aufmerksamkeit erregten. Sie kamen aus
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