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Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Titel: Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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mündete.

    Als der Morgen anbrach, stand Salima am Fenster ihres Schlafgemachs und sah zu, wie sich die Umrisse der Gewürznelkenbäume aus der Dämmerung schälten, das ununterscheidbare Grau der kurzen Spanne zwischen Nacht und Tag allmählich Tiefe bekam, dann einen Hauch von Farbe. Zwischen diesen Bäumen waren die Hufschläge von Heinrichs Pferd verklungen; gerade eben erst, sodass Salima glaubte, ihren Nachhall wenn auch nicht mehr zu hören, so doch noch als feine Schwingung in der Luft zu spüren.
    So wie auch die vergangene Nacht noch in ihr nachklang. In ihren Gliedern, die sich geschmeidig anfühlten wie dieeiner Katze, in einer wohligen, wie traumverlorenen Trägheit von Leib und Seele. Aber auch in Fragen, die ihr unbequem waren und eine Rastlosigkeit des Geistes mit sich brachten. Wie lange konnte es wohl noch so weitergehen? Wie lange würde ihre Liebe noch unentdeckt bleiben? Was würde morgen sein oder nächsten Monat oder nächstes Jahr? Was mochte das Schicksal in der Zukunft für sie bereithalten?
    Fragen, die ihr Angst machten, weil es keine Antworten gab.
    Nicht morgen, Salima , versuchte sie ihre sorgenvollen Gedanken selbst zu zerstreuen. Du lebst heute – und nur heute. Es ist so lange gut gegangen – es wird auch weiterhin gut gehen.

Entwurzelt
    Liebe ist wie ein Husten – sie kann nicht verheimlicht werden.
    SPRICHWORT AUS SANSIBAR
26
    »Ihr müsst diesem unsittlichen Treiben endlich Einhalt gebieten, Hoheit!«
    Mehrere der Minister des Sultans, die auf der Veranda von Beit il Sahil zusammengekommen waren, brummten zustimmend.
    Die Augenbrauen von Sultan Majid hoben sich. »Haltet Eure Zunge im Zaum, werter Minister! Ich werde es nicht dulden, dass Ihr eine meiner Schwestern ungerechtfertigt anstößigen Verhaltens bezichtigt!«
    Sulayman bin Ali schnaubte. » Ungerechtfertigt , Hoheit? Ich habe Euch doch berichtet, wie Sayyida Salima nächtelang von Dach zu Dach mit dem Deutschen tuschelt und flüstert. Dutzende und Aberdutzende von Zeugen haben es bestätigt!«
    »Der freundschaftliche Umgang mit Andersgläubigen ist eine alte Sitte unserer Familie. So hat es mein Vater gehalten, so wurden wir als seine Kinder erzogen, und so setzen wir die Tradition auch fort!« In der Stimme des Sultans lag eine ungewohnte Schärfe.
    »Nun, Hoheit«, erwiderte Sulayman bin Ali hämisch, »wie weit dürfte der freundschaftliche Umgang einer Sayyida mit einem Manne in Euren Augen gehen? Mit einem Ungläubigen gar? Etwa so weit, dass sie keine Scham kennt, insichtlicher Vertrautheit allein mit ihm auf dem Land oder am Strand spazieren zu gehen?«
    Schweißperlen traten auf Majids Stirn. »Das kann sich nie und nimmer so zugetragen haben!«
    »Aber ja, Hoheit.« Zufriedenheit zeigte sich auf der Miene seines obersten Ministers. »Auch dafür gibt es Zeugen – für mehr als nur eine Zusammenkunft der beiden unter vier Augen. Genauso wie dafür«, fuhr er fort, »dass besagter Ungläubiger mehr als eine Nacht auf dem Landgut verbracht hat.«
    Der Sultan erhob sich und trat an die Balustrade. Unruhig nestelten seine dürren Hände an dem Krummdolch, den er in der Taillenschärpe seines Gewandes stecken hatte. »Infame Lügen«, murmelte er. »Nichts als Intrigen und üble Nachrede schändlicher Personen, die meiner Schwester und damit mir zu schaden trachten.« Doch er war kalkweiß geworden unter seiner ohnehin schon aschenen Hauttönung.
    Sulayman bin Ali straffte sich. »Vergesst nicht, Hoheit: Schon einmal hat Sayyida Salima Verrat an Euch begangen. Was liegt näher, als dass sie ihren Weg der Verderbnis fortsetzt?«
    »Genug!«, brüllte Majid und hieb auf das Geländer der Veranda, eine Geste, die eher verzweifelt wirkte denn zornig.
    Doch es war noch nicht genug. Es war noch nicht alles gesagt. Nicht für Sulayman bin Ali, dem Frauenzimmer von lockerem Lebenswandel ein Gräuel waren, auch und gerade wenn es sich um eine Schwester seines Sultans handelte. Wie er überhaupt befand, dass Sultan Majid die Zügel auf Sansibar ruhig strammer anziehen könnte, was Sittenstrenge und Frömmigkeit betraf. »Es heißt, Sayyida Salima trage bereits das Kind des Deutschen unter ihrem Herzen.«
    Der Sultan wandte sich langsam um, und seine Augen funkelten vor Hass.
    »Ich will aus ihrem Munde hören, was sie dazu zu sagen hat. Sie soll sich in die Stadt begeben! Auf der Stelle!«

    Salima lag zusammengerollt auf ihrem Bett und blickte aus dem Fenster, hinauf in den Nachthimmel. In vollkommene Schwärze, von

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