Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne
werden, und da zudem die Gerüchteküche der Stadt brodelte, zählte er schließlich eins und eins zusammen.
»Das ist in der Tat der Fall, Herr Witt. Worauf Ihre verehrte Gattin empfahl, Sie um Hilfe zu ersuchen. Was ich hiermit noch einmal nachdrücklich tue.«
John Witt gab ein flaches Auflachen von sich und zog dabei einen Mundwinkel in die Höhe. »Bei allem Respekt, Herr Ruete, Ihre Bitte ist nicht anders als anmaßend und obendrein als unklug zu bezeichnen. Wenn Sie einen Rat von mir wollen, so empfehle ich Ihnen, mit Ihrem kleinen Techtelmechtel anderweitig zurande zu kommen. Mit Geld beispielsweise, woran es Ihnen gewiss nicht mangeln dürfte. Araber wie Schwarze hier sind doch allesamt käuflich. Zahlen Sie dem Sultan eine gewisse Summe, Ihrer – Ihrer Geliebten ebenfalls, und Sie sind fein raus.«
»Meiner Verlobten« , berichtigte Heinrich, wofür er von JohnWitt einen fassungslosen Blick erntete. Doch Heinrich fuhr fort: »Ich bitte nicht um Hilfe für mich noch um Hilfe für die Schwester des Sultans. Sondern allein um Hilfe für meine zukünftige Gattin. Gewähren Sie ihr und ihren Habseligkeiten eine Passage auf dem nächsten Ihrer Schiffe, das sie außer Landes bringen kann.«
»Sind Sie denn von allen guten Geistern verlassen, Mann!«, entfuhr es John Witt. Er schob seinen Stuhl zurück und stand auf, tat ein paar Schritte durch den Raum. »Ist Ihnen nicht klar, wie sich eine solche Fluchthilfe durch uns auf die Beziehungen zwischen dem Sultan und den Europäern auswirken könnte? Für uns Händler insbesondere?«
»Niemand braucht je davon zu erfahren, Herr Witt. Niemand darf davon erfahren.«
Während Heinrich den Weg des O’Swald’schen Agenten durch das Kontor verfolgte, witterte er mit seinen geschulten Sinnen, dass ein Geschäft in der Luft lag. »Ich würde Sie nicht darum ersuchen, wenn es nicht um Leben und Tod ginge«, sagte er eindringlich. »Ihr würdet damit ein Leben vor dem sicheren Tod retten.«
Zwei sogar – das von Bibi Salmé und das unseres ungeborenen Kindes.
Er hielt es für ratsam, Salimas Schwangerschaft nicht zu erwähnen, obwohl er annehmen musste, dass man im Hause O’Swald bereits darüber im Bilde war. Schließlich griff er zu dem Argument, das stets das gewichtigste war für Männer vom Schlage eines John Witt: »Eine Passage für meine Verlobte und für zwei Dienerinnen und etwas Gepäck, die ich der Firma O’Swald & Co. gut bezahlen würde. Das ist alles, worum ich Sie bitte.«
John Witt fuhr sich mit dem angewinkelten Zeigefinger nachdenklich über die Unterlippe. »Und was wird aus Ihnen, Ruete?«
Heinrich senkte den Blick auf seinen Hut, den er in den Händen hielt. Der Schwachpunkt seines Plans, an den John Witt noch zusätzlich gerührt hatte durch die nur halb formelle Anrede, die etwas Vertrauliches, aber auch Herablassendes hatte. »Erst muss meine Verlobte in Sicherheit sein«, entgegnete er ausweichend.
28
Noch ehe John Witt ein Schiff aufgetan hatte, auf dem Salima die Insel verlassen konnte, erhielt sie endlich die gleichermaßen befürchtete wie erhoffte Nachricht: Majid befahl sie für den nächsten Tag zu sich nach Beit il Sahil.
In der Nacht davor fand Salima keinen Schlaf. Wieder und wieder ging sie im Geiste durch, wie sie vor ihren Bruder treten sollte – aufrecht und stolz oder lieber demütig – und wie sie ihre Worte wählen sollte, um ihren Bruder milde zu stimmen.
Indes, Salimas Gedankenspiele, das Einstudieren von Haltung, Gestik und Mimik, ihre sorgsam zurechtgelegte Rede, die vorbereiteten Antworten auf mögliche Fragen waren umsonst gewesen. Majid hatte sich in seiner launischen Art anders besonnen und seine Schwester Khaduj vorgeschickt.
Schweigend musterten sich die Halbschwestern. Khaduj, von einer Anzahl Leibdiener und Sklavinnen umringt, ihr ovales Gesicht mit den vollen Lippen ein feminineres Abbild des Bruders und, wie alle Sultanskinder tscherkessischer Abstammung, großgewachsen, starrte Salima unverhohlen hasserfüllt an, während ihre viel jüngere Halbschwester zwischen Hoffen und Bangen schwankte, unsicher, was Khadujs Besuch für sie bedeuten mochte.
»Schön, dich zu sehen, Schwester«, begann Salimaschließlich zögerlich. »Ich wollte heute ohnehin zu euch nach Beit il Sahil kommen, auf Geheiß von Majid.«
»Dich hätte dort niemand Geringeres erwartet als dein Henker«, kam es ohne Umschweife von Khaduj. »Um auf Befehl unseres Bruders deinem sündhaften Leben das wohlverdiente Ende zu
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