Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne
setzen.«
»Das ist nicht wahr!«, rief Salima, weiß um Mund und Nase. »Majid würde mir so etwas niemals antun – niemals!«
Khadujs volle Lippen krümmten sich zu einem gehässigen Lächeln. »Eigens für dich hat er einen Kulfah von der Küste kommen lassen, der sein Handwerk versteht.«
Salima glaubte, der Steinboden gäbe für einen Augenblick unter ihr nach. Die Männer vom Stamme der Kulfah waren Riesen, an die sechseinhalb Fuß groß, muskelbepackt und bekannt dafür, dass sie geschickt waren im Umgang mit dem Schwert. Es hieß, die Klinge eines Kulfah vermochte den Hals eines Menschen so mühelos zu durchtrennen, als wäre er ein Grashalm.
»Dein Glück, dass dies den Witwen unseres Vaters nicht verborgen geblieben ist«, fuhr Khaduj fort. »Sie haben sich bei Majid für dich verwendet und ihn gebeten, deine Hinrichtung auszusetzen, bis deine Schuld zweifelsfrei bewiesen sei.«
Salima ließ ihre Augen über die Sklavinnen schweifen, die Khaduj mitgebracht hatte, die Leibdiener, die Dolch und Schwert bei sich trugen, dann über ihre eigenen Dienstboten. Sie wusste, was ihnen bevorstand: Unter Androhung der Folter würde jeder Mann, jede Frau im Haushalt gezwungen werden auszusagen, was sie über den Zustand ihrer Herrin wussten, und sie selbst würde von Khadujs Begleiterinnen entkleidet und untersucht werden, notfalls unter Zwang. Ihre Lider schlossen sich kurz, als der Raum um sie zu kreisen begann, doch sie zwang sich, aufrecht stehen zu bleiben, wartete, bis der Schwindel sich legte, und sah Khaduj schließlich offen an.
»Ihr braucht euch nicht um Beweise zu bemühen, Khaduj. Es ist wahr, was euch in Beit il Sahil zu Ohren gekommen ist: Ich trage ein Kind in mir.«
»Erwarte keine Milde allein dafür, dass du dich zu deiner Schuld bekennst«, fuhr Khaduj sie barsch an und zog aus den Falten ihres Gewandes einen Brief hervor. Salima nahm ihn entgegen und entfaltete ihn. »Unser Bruder in seiner Weisheit und Güte gab mir diesen Brief hier für dich mit, für den Fall, dass all die Gerüchte sich nicht als Verleumdungen erweisen.«
»Er will mich nach Mekka schicken?«, entfuhr es Salima rau, als sie das Blatt wieder sinken ließ.
»Eine Pilgerfahrt zum Zeichen, dass du deine Sünden aufrichtig bereust und Allah um Vergebung bittest«, bestätigte Khaduj. »Für die Zeit der Vorbereitungen bis zu deinem Aufbruch hat er mich zu deiner Hüterin in diesem Hause bestellt.«
Salimas Muskeln verkrampften sich, als sie versuchte, das Zittern zu unterdrücken, das in ihr emporkroch. Sie hatte Geschichten gehört, von Frauen und Mädchen wie ihr, die in Sünde empfangen hatten und die ebenfalls auf Pilgerfahrt an die heilige Stätte ihres Glaubens, an den Geburtsort des Propheten, geschickt worden waren. Keine, so erzählte man sich, sei je dort angelangt, geschweige denn wieder von dort zurückgekehrt. Was bislang eine unbestimmte Bedrohung gewesen war, hatte nun greifbare Gestalt angenommen, und Salima glaubte schon die kalte Klinge an ihrer Kehle zu spüren. Ihre Finger krallten sich in das Papier und zerknüllten es, schleuderten es zornig durch den Raum.
»Was ist das für eine Welt, in der eine Liebe mit dem Tod bestraft wird?« Sie schrie jetzt fast. »Ich habe niemanden getötet, und ich habe niemanden bestohlen. Ich habe immer aus tiefster Seele meine Gebete verrichtet und alle Gebote unserer Heiligen Schrift geachtet. Es war Allahs Wille, dass ichdiesem Mann begegnet bin, dass wir einander gefunden haben. Und darauf soll der Tod stehen?!« Schwer atmend funkelte sie ihre Halbschwester an. »Ihr könnt mir viel erzählen, du und Majid, aber nicht, dass euer Gewissen unbefleckt bleiben wird, wenn ihr mich in den Tod schickt. Eure eigene Schwester!«
Sie sah, wie sich unter Maske und schele etwas in Khadujs Gesicht anspannte. Dann bedeutete diese ihrem Gefolge mit einem Rucken des Kopfes, sich zu entfernen. Die fragenden Blicke ihrer eigenen Dienerinnen beantwortete Salima mit einem Nicken, und gleich darauf waren die beiden Schwestern allein.
»So warst du schon immer«, ließ Khaduj sich nach einer Weile leise vernehmen, während sie an das Fenster trat. »Eigensinnig und unbeugsam. Ich habe immer befürchtet, dass es mit dir einmal ein böses Ende nehmen wird.« Sie seufzte. »Bereust du deinen Frevel wenigstens?«
Salima zögerte. Vermochte eine Lüge sie womöglich zu retten? Eine vorgeschobene Bußfertigkeit, eine falsche Demut? »Ich bedaure, dass daraus nun so Schreckliches
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