Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne
Bibi Salmé stand für eine Schuld, die keine Vergebung erhoffen durfte.
»Vielleicht«, erwiderte er und berührte sie sanft an der Schulter. »Dennoch sollten wir vorbereitet sein und vor allem keine kostbare Zeit verschwenden.«
Salimas Blicke wanderten zur Tür hin, an der gerade zwei Sklaven vorbeigingen, eine schwere Kiste geschultert. Im ganzen Haus herrschte großes Räumen und Packen. Bis auf Salimas Geschmeide wurde unter dem Vorwand, die notwendige Barschaft für die Pilgerfahrt nach Mekka zusammenzubekommen, alles verkauft, was sich zu Geld machen ließ: Spiegel und silberne Leuchter, Teppiche und kostbare Truhen, Uhren und Geschirr. Eine ungewöhnliche Betriebsamkeit wurde dabei an den Tag gelegt, denn mit jeder Stunde, die verstrich, wuchs die Gefahr, dass Majid ihre Täuschung durchschaute und ihren Plan vereitelte.
Und nun auch noch meine Plantagen … Auch Kisimbani. Wo wir so glücklich waren. Noch vor ein paar Wochen. Und doch eine scheinbare Ewigkeit her …
Sie senkte ihren Blick wieder auf die Papiere vor sich, deren Schrift durch einen Tränenschleier hindurch verschwamm.
»Nur für eine gewisse Zeit, Bibi Salmé«, hörte sie Heinrich neben sich flüstern. »Bis die Wogen sich geglättet haben.«
Die ersten Kisten mit Gold, der größte Teil von Salimas Schmuck und ihre geliebte weiße Katze befanden sich schon an Bord der O’Swald’schen Mathilde , die im Hafen vor Anker lag, bereit, gen Hamburg auszulaufen – mit einem Zwischenhalt vor Bububu, wo Salima mit zwei ihrer Dienerinnen zusteigen würde, die noch nichts von ihrem zweifelhaften Glück ahnten.
»Es ist der einzige Weg für uns, nicht wahr?«
Heinrichs Stirn zerfurchte sich, glättete sich dann wieder. »Ich fürchte, ja.«
Salima nickte und blinzelte die Tränen tapfer fort.
Nur für eine gewisse Zeit , sagte sie sich selbst vor, als sie die Bambusfeder in die Tinte tunkte, um Herrn Rudolph Heinrich Ruete ihre Besitzungen zu überschreiben. Doch noch ehe sie die Spitze auf das Papier gesetzt hatte, hielt sie inne. Wenn Heinrich ihre Plantagen übernahm, dann konnte das nur bedeuten, dass …
»Du kommst nicht mit?« Ihr Tonfall schwankte zwischen entsetzter Feststellung und auf Widerspruch hoffender Frage.
Heinrich wich ihrem Blick aus und schüttelte schließlich den Kopf. »Nein. Ich bleibe hier.«
»Für wie lange?« Salima erstickte beinahe an ihren eigenen Worten, und auch Heinrichs Stimme klang belegt, als er antwortete: »Ich weiß es noch nicht. Einige Wochen gewiss, vielleicht auch länger.«
Einen schrecklichen Moment lang durchzuckte Salima der Gedanke, einem Betrüger aufgesessen zu sein, der sie fortschickte, einem ungewissen Schicksal entgegen, um sich an ihrem Besitz zu bereichern. Doch ungleich schrecklicher war die Gewissheit, die sich daran anschloss: dass Heinrich nichts zu gewinnen hatte, wenn er hierblieb, dass er hingegen alles verlieren konnte.
Er schien ihre Gedanken erraten zu haben, denn seine Arme schlossen sich um sie, tröstend und aufmunternd. »Sie werden mir nichts tun. Das werden sie nicht wagen, keiner von ihnen«, versuchte er sie zu beruhigen, doch fehlte es seinen Worten an der Kraft, sie restlos zu überzeugen. »Ich muss hierbleiben, weil ich trotz allem noch Verpflichtungen gegenüber Hansing & Co. habe. Das wenigstens bin ich der Handelsgesellschaft schuldig, wenn ich ihren Ruf schon derart beschädigt habe.« Die Bitterkeit des letzten Satzes ging in eine stolzeZärtlichkeit über. »Und ich bleibe auch aufrechten Hauptes, um aller Welt zu zeigen, dass unsere Liebe nichts ist, wofür ich mich schämen und feige das Weite suchen muss.«
In Salima rangen Einsicht und Widerstand miteinander. Schließlich sagte sie: »Ich will nicht ohne dich gehen.«
»Du musst, Salmé«, sagte er eindringlich. »Ich weiß, unter den gegebenen Umständen ist es schwer. Aber versuch dennoch, mir zu vertrauen.«
Sie nickte langsam, als müsste sie sich ebendieses Vertrauen in Heinrich und in das Schicksal mühsam einbläuen; dann griff sie erneut zur Feder und unterschrieb die Papiere. Sie hatte ihren letzten Namenszug kaum daruntergesetzt und die Schreiben Heinrich überreicht, damit er die Besitzungen im Sekretariat auf sich registrieren ließe, als sie auch schon nach einem leeren Blatt griff und in aller Eile eine Liste erstellte, die sie Heinrich ebenfalls hinhielt.
»Würdest – würdest du bitte die entsprechenden Dokumente aufsetzen lassen, dass jeder seine Freiheit
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