Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne
Räumen noch trostloser, ohne Möbel und Zierrat, verlassen von den Dienern, die mit ihrer Urkunde der Freilassung und einem kleinen Geldbetrag gegangen waren. Nur zwei Dienstmädchen waren ihr geblieben – und Khaduj, die sich nun neben sie hockte und sie in ihre Arme nahm.
»Schhhh, nicht weinen«, murmelte sie Salima ins Ohr. »Alles wird gut.«
»Ich wüsste nicht, wie«, schluchzte Salima. »Ich sitze hier in der Falle! Ohne Heinrich. Ohne die Möglichkeit, hier wieder herauszukommen. Irgendwann wird Majid ungeduldig werden und mich drängen, zur Pilgerfahrt aufzubrechen. Viel länger werde ich ihn nicht mehr hinhalten können.«
Khaduj wiegte sie tröstend. »Noch glaubt Majid, dass ich ihm treu ergeben bin; er ahnt nichts davon, dass ich euch bei euren Fluchtplänen helfe. Das ist unser großer Vorteil.«
»Aber jemand muss hinter unsere Pläne gekommen sein und sie verraten haben«, schniefte Salima und wischte sich über die Wangen. In unvermittelt aufblitzendem Misstrauen versteifte sie sich in Khadujs Umarmung, versuchte sich von ihr zu lösen, doch diese hielt sie nur umso fester.
»Ich kann es dir nicht verdenken, Salima.« Khadujs Kinn rieb sanft über Salimas Schulter. »Selbstredend musst du zweifeln, ob ich nicht ein doppeltes Spiel spiele. Dass ich noch hier bei dir bin und dich nicht einfach Majid überlasse, müsste dir jedoch zeigen, dass ich ganz auf deiner Seite stehe.«
»Ich reiße dich womöglich auch noch mit in den Abgrund«, brach es aus Salima hervor. »Wenn Majid erfährt, dass du …«
»Das lass allein meine Sorge sein.«
»Nun, Mr Ruete.« Emily Seward, die Gattin des stellvertretenden britischen Konsulatsarztes, setzte behutsam ihre Teetasse ab. »Sie werden gewiss Verständnis dafür haben, wennich sage, dass Ihr Anliegen ein recht heikles ist, was die Beziehungen zwischen Großbritannien und dem Sultan von Sansibar betrifft.«
»Dessen bin ich mir wohl bewusst, Mrs Seward.« Er hob in höflicher Ablehnung die Hand, als seine Gastgeberin den Teller mit dem Gebäck auffordernd ein Stückchen näher zu ihm hinschob. »Ich hätte mich auch nicht an Sie gewandt, wenn die Angelegenheit nicht derart dringlich und von höchster Wichtigkeit wäre. Wie ich annehme, ist auch Ihr Herr Gatte weitestgehend über die Notlage informiert, in der sich Bibi Salmé befindet.«
»Eine Notlage, an der Sie nicht ganz unschuldig sind, Mr Ruete«, bemerkte Mrs Seward. Doch dabei lächelte sie belustigt; ein Lächeln, das ihr frisches, rosiges Gesicht – unberührt von der Hitze Sansibars und britisch, wie es britischer nicht sein konnte – noch anziehender machte.
Heinrichs Augenbrauen hoben sich, als er halb schmunzelte, halb zerknirscht dreinblickte. »Auch das ist mir bewusst. Eine Schuld, die ich nur zu gerne auf mich nehme und für die ich voll und ganz geradestehen möchte. Wenn man mich nur ließe.«
Emily Seward lehnte sich ein wenig zurück und verschränkte die Hände im Schoß ihrer weiten, von Petticoats und einer Krinoline gebauschten Röcke aus zartem Musselin. Sie mochte Heinrich Ruete, der nur wenig jünger war als sie selbst. Bei den gesellschaftlichen Zusammenkünften sowohl in seinem Hause wie im britischen Konsulat hatte sie ihn als angenehmen Gentleman kennengelernt: charmant, ohne dass er leichtfertig oder gar oberflächlich wäre; mehrsprachig, mit herausragenden Fähigkeiten und mit vielversprechenden Zukunftsaussichten. Zumindest, bevor er durch diese unglückselige Liebschaft mit der Schwester des Sultans seinen bislang tadellosen gesellschaftlichen Leumund zerstört hatte. DieGerüchte um ihn und Bibi Salmé waren auch durch das Tor des Konsulats hereingebrochen wie eine Feuerwalze.
Eine kleine stürmische Affäre wäre ihm in den Augen der Gesellschaft durchaus noch nachzusehen gewesen – man wusste schließlich, wie es sein konnte, wenn man jung war, unverheiratet und in der Fremde. Noch dazu auf Sansibar, wo alles derart üppig im Saft stand, dass eine für englische Verhältnisse schon beinahe unanständige Sinnlichkeit in der Luft lag. Doch nun hatte dieses Verhältnis Folgen gehabt. Was nie schön war und was immer Verwicklungen nach sich zog, die meist zulasten der betreffenden Dame gingen. Dieser besondere Fall jedoch konnte die europäischen Nationen leicht ihren einträglichen Kontakt zum Sultanshaus kosten; eine leichtfertige Liaison, die dabei war, zum Politikum zu werden. Abgesehen davon war Emily Seward weiß Gott nicht derart puritanisch
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