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Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Titel: Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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ab. Das Lied war ihr auf den Lippen erstorben, und nackte Angst umklammerte ihren Magen.
    War das ein Dolch gewesen?
    Möglich, dass es Halunken gab, die den Trubel auf den Gassen nutzen wollten, um zwielichtige Pläne in die Tat umzusetzen. Vor allem jedoch fürchtete Salima mit einem Mal, dass Majids Erlaubnis, sie dürfe für das Fest das Haus verlassen, weder Gutgläubigkeit noch Güte geschuldet gewesen war. Sondern einer List, um sich seiner Schwester, die solche Schande über die Familie gebracht hatte, im Tumult, der jetzt, nach Mitternacht, unweigerlich durch die Stadt toben würde, ein für alle Mal zu entledigen.
    Fester als nötig hakte sie sich bei ihren Dienerinnen unter und schritt hastig aus, drängte sich zwischen die anderen Menschen; je mehr Leiber sie umgaben, in umso größerer Sicherheit befand sie sich. Sie hoffte, mit ihrer schele unterzugehen inmitten all der anderen Frauen.
    »Wat’u hawendi tena P’emba« , stimmte sie erneut mit ein, sang, so kräftig sie konnte, sang gegen Verfolgungswahn an und gegen Todesangst. »Kuna nyama mla-wat’u simba.«
    Das Gassengeflecht löste sich auf, und damit lockerte sich der Menschenpulk, teilte sich in Grüppchen und in einzelne Personen, die vorwärtsströmten, hin zum Meer, um bekleidet hineinzuwaten, unterzutauchen und Sünde und Ungemach des alten Jahres abzuwaschen, wie es Brauch war. Der rötlicheSchein der am Ufer entzündeten Freudenfeuer ließ Himmel und Hauswände glosen.
    »Wo gehen wir denn hin?«, wollte eines der Dienstmädchen wissen.
    »Wir sind gleich da«, gab Salima zurück und hielt auf die letzte Häuserreihe zu. Auf ein erleuchtetes Fenster im linken der beiden lang gestreckten Gebäude vor ihnen. Das vorletzte Stück auf ihrem Weg in die Freiheit und das gefährlichste: durch die breite Furt zwischen den Häusern, die kaum Schutz bot. Salima marschierte vorwärts, vermied es, sich umzudrehen, um nicht einem möglichen Verfolger zu zeigen, dass sie Grund hatte, ängstlich zu sein.
    Ein Schatten glitt aus der Dunkelheit auf sie zu, eine Frau in den reichen Fältelungen geschickt gewickelter kangas , groß und stattlich wie eine afrikanische Königin . »Ein gutes neues Jahr, teure Freundin!«, rief sie ihnen entgegen. Eine Stimme, die Salima in den vergangenen zwei Wochen vertraut geworden war. Ihr Magen entspannte sich mit einem Schlag.
    »Dir auch ein gutes neues Jahr!« Erleichtert fiel sie Zafrani um den Hals, der Amme im britischen Konsulat, die bei den Besuchen Mrs Sewards in Salimas Haus vom Englischen ins Suaheli übersetzt hatte und umgekehrt, wenn es nötig war. Zafrani, die ihnen auch als Botin gedient hatte, um Salima auf dem Laufenden zu halten, spielte ihre Rolle perfekt. Sie legte ihren Arm um Salimas Schulter und erkundigte sich in einem einzigen plätschernden Wortschwall, ob sie einen schönen letzten Tag des Jahres gehabt und gut hergefunden hätten, zählte auf, was es nachher und morgen alles an Köstlichkeiten zum Naschen geben würde und wer aus der Nachbarschaft noch alles eingeladen sei. Drohend fast bauten sich die beiden Häuser vor ihnen auf, je näher sie kamen, der schmale Durchgang dazwischen einem Schlund ähnlich, und doch wusste Salima, dass dies der Weg in die Freiheit war.
    Lampenschein am Ende des Durchgangs. Salima hörte Röcke rascheln, eine weibliche Stimme rief etwas in einer fremden Sprache, die sie nicht verstand, obwohl der Klang ihr wohlbekannt war. Im nächsten Moment fühlte sie sich an Mrs Sewards Brust gedrückt, mit liebkosenden Worten überschüttet, deren Tonfall ihr sagte: Du bist in Sicherheit. Alles ist gut. Du hast es geschafft.
    Ihre Lider flatterten, und sie entdeckte über die Schulter der Engländerin hinweg eine Silhouette, die auf sie zulief.
    »Heinrich.« Salima schluchzte auf, als er sie in die Arme schloss, ihr Gesicht mit Küssen bedeckte, die hart waren und viel zu fest und die sie doch so sehr genoss. Dann nahm er sie beim Arm und führte sie mit sich, hin zum Wasser.
    Meine letzten Schritte auf dem Boden von Sansibar.
    »Gib mir dein Taschentuch.«
    »Wie bitte?«
    »Gib mir dein Taschentuch!«
    »Wozu brauchst du …«
    »Gib es mir einfach!«
    Als er es ihr reichte, wand sie sich aus seinem Griff und kniete sich hin, kratzte etwas von der dünnen Sandschicht zusammen, die den Fels der Insel bedeckte, und ließ es mit beiden Händen in das Tuch rieseln.
    »Dafür ist jetzt keine Zeit, Salmé!«
    »Gleich!«
    Heinrich packte sie am Oberarm. Sie schaffte es

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