Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne
Aden allenthalben in der Luft lag.
Einen Wimpernschlag lang hielt die Welt ihren Atem an. Sogar der kleine Junge war verstummt.
»Hein…«, würgte sie hervor, als sie irgendwie vom Boden aufstand, zwei unsichere Schritte tat. Sie flog ihm entgegen, und er fing sie auf.
»Du bist da – du bist endlich da.« Salima lachte und weinte zugleich, bedeckte Heinrich mit Küssen, badete in den seinen.
»Meine Bibi«, presste er hervor. »Endlich. Meine Bibi.« Seine Hände strichen ihr fahrig über das Gesicht. »Es tut mir so leid, dass ich nicht eher kommen konnte. Geht es dir gut?«
»Ja. Oh ja. Jetzt ist alles gut«, sagte sie bewegt, ihre Stimme gedämpft von einer überwältigenden Flut an Glück und Freude.
Sie bemerkte, wie Heinrich an ihr vorbeisah, zu ihrer beider Sohn. Und sie trat einen Schritt beiseite, wischte sich mit beiden Händen über die nassen Wangen und umklammerte die Ellenbogen ihrer verschränkten Arme.
Zögernd ging Heinrich auf den Kleinen zu, hockte sich dicht vor ihn hin. Der Bub schob die Unterlippe vor, wich den forschenden Blicken aus, tatschte verlegen auf den Ball und richtete seine braunen Augen doch immer wieder voller Neugierde auf den Fremden.
Erstaunlich geschickt für einen Mann und doch ein wenig unbeholfen schob Heinrich die Hände unter die Achseln seines Sohnes und stand mit ihm zusammen auf; die Kinderfüßchen krümmten sich, und die Beinchen zogen sich in der Luft an. Er hielt ihn eine halbe Armeslänge von sich weg, besah ihn sich genau: das runde Gesicht, das er von seiner Mutter geerbt hatte, das seidige Haar, das sein Köpfchen bedeckte wie gesponnenes, noch halb flüssiges Karamell. Die schmalen Augen, die er selbst, Heinrich, ihm vermacht hatte. Und Heinrich junior schaute furchtlos zurück, warf dann aber doch einen fragenden Blick zu Salima hinüber.
»Hallo, mein Sohn«, flüsterte Heinrich, und wie seine Stimme dabei zitterte, als er den Jungen an sich drückte, die samtweichen Pausbacken mit dem Mund und mit seiner bärtigen Wange berührte, ließ Salimas Herz überquellen.
Heinrich nahm ihr gemeinsames Kind mit einem Arm und streckte die andere Hand nach Salima aus. Sieschmiegte sich an ihn, umfasste ihrerseits die kleinen Schultern ihres gemeinsamen Sohnes, endlich vollkommen und restlos glücklich. Endlich vereint.
»Lass uns heiraten, Bibi. So schnell es geht.«
Neun Monate, um ein Kind zur Welt zu bringen , dachte Salima, als sie in einem leichten, hellen Musselinkleid vor dem Taufbecken des kleinen Kirchleins stand, hoch oben auf einer Kuppe in der Steilwand des Kraters gelegen und ohne Turm gebaut. Sie kniete nieder.
Und neun Monate hier in Aden, um selbst neu geboren zu werden.
»… empfange das Zeichen des Kreuzes«, hallte die Stimme von Kaplan Lummins von den steinernen Wänden wider. Kühl waren seine Fingerspitzen auf Salimas Stirn, als er in einer fließenden Bewegung mit dem heiligen Wasser das Kreuz darauf malte.
»… so taufe ich dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes auf den Namen Emily.«
Ihre Wahl. Emily wollte sie von nun an heißen, nach Emily Seward, ihrer Retterin, ihr damit vergeltend, dass sie sie von der Insel in Sicherheit gebracht hatte. Die ihr ein zweites Leben geschenkt hatte, damit sie ihrem Sohn das Leben schenken und Heinrichs Frau werden konnte. Emily, weil dieser Name nach den blühenden Wiesen klang, von denen Heinrich ihr erzählt hatte.
»… frage ich dich, Rudolph Heinrich Ruete, willst du die hier anwesende Emily …«
In Anwesenheit des britischen Residenten Major W. L. Merewether, dem vormaligen britischen Konsul auf Sansibar und baldigen Generalkonsul von Algerien, Major Robert Lambert Playfair, von Bonaventura Macías, der sich verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel tupfte, und seinerGattin Teresa, die den krähenden Heinrich junior auf den Knien schaukelte, gelobte Heinrich Ruete der frisch getauften Emily, sie zu lieben, zu achten und zu ehren, bis dass der Tod sie scheide. Emilys Englisch war bei Weitem noch nicht gut genug, um all die Formeln und Wendungen zu verstehen. Als Kaplan Lummins das Wort an sie richtete, wartete sie einfach, bis er geendet hatte und sie fragend ansah. Dann sagte sie mit fester Stimme: »Yes!«
tin Teresa, die den krähenden Heinrich junior auf den Knien schaukelte, gelobte Heinrich Ruete der frisch getauften Emily, sie zu lieben, zu achten und zu ehren, bis dass der Tod sie scheide. Emilys Englisch war bei Weitem noch nicht gut genug, um
Weitere Kostenlose Bücher